Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Inselurlaub auf Poel
2. Am Schwarzen Busch mit Lily
11./12.05.2019
Mein Körper sehnt sich nach einem kleinen Schläfchen, doch die Sonne am azurblauen Himmel lockt. Wir beschließen,
noch die Ostsee sehen zu wollen. Erwartungsvoll zuckeln wir Richtung Kirchdorf, dort hindurch und stellen das Auto vor
Kaltenhof auf dem Parkplatz nahe einer Gedenkstätte für die Opfer der versenkten „Arkona“ ab. Von hier ist es nur ein
Fußmarsch von wenigen Minuten bis zum Strand. Vor uns tauchen die Buhnen auf und dahinter die endlos blaue Fläche
der Ostsee. Sand unter den Füßen und vor den Augen ein Bilderbuchpanorama aus Wasser, das zum Staunen verleitet!
Man kann so alt werden, wie man möchte, der Blick auf die See mit dem Horizont, auf dem ein weißes kleines Segel wie
ein Artist jongliert, hat etwas erhaben Majestätisches. Ein filigraner Mini-Kosmos, der uns die Winzigkeit und die
Bedeutungslosigkeit von uns Menschen für die Natur vor Augen führt. Es ist berauschend schön, einfach nur
wunderschön, hier Zeit zu verbringen. Ein Gefühl von Kind sein, von Freiheit sowie Unbeschwertheit nimmt mich ein. Ich
bin glücklich.
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Lily watschelt mit ihren vier kleinen Stummelfüßchen durch den Sand und ein Mini-Drachen versucht, auf den
Schwingen des Windes ein wenig zu tanzen. Es gelingt nur für Sekunden. Ich lasse mich von meinen Füßen tragen, über
Seetang, Hölzer, Steine sowie tausende kleine Muschelschalen und folge dem Küstenstreifen, der sich irgendwo, immer
schmaler werdend, mit der Linie des Meeresspiegels am Horizont vereint. Hoch oben auf der Steilküste wachen von
Sturm und Wind geformte, zerzauste Bäume über dem schmalen Sandstreifen Strand. Ich höre Möwen schreien und
verfolge deren Flug, bestaune kunstvollen Figuren, die sie in den Himmel malen. Weit draußen blinkt einsam ein weißes
Segel, das mich daran erinnert, wie ich vor einigen Jahren selbst einmal auf hoher See mit Freunden unterwegs war:
Ahoi Hannes, mein Skipper und Bruder im Geiste!
Dieser Streifen Strand befindet sich „Am Schwarzen Busch“ und ist von vielen Steinen übersät, die irgendwann einmal
aus der Steilküste heraus gewaschen wurden und seitdem von den Wellen umspült werden. Man ahnt ein wenig von
den gewaltigen Kräften der Natur, die hier schon seit Jahrtausenden als Landschaftsgestalter wirken. Nur wenige
Kilometer ostwärts ist von der steilen Küste nicht mehr so viel zu sehen. Am Strand bei Gollwitz hat die nimmermüde
See eine richtige Lagune entstehen lassen, indem sie eine Sandbank vor dem Küstenstreifen geschwemmt hat. Da
draußen steht einsam ein Haus in einem Naturschutzgebiet auf einer kleinen Insel. Die See knabbert an der Substanz
von Poel, jeden Tag ein winziges Stück und was wir als bildhafte Erinnerungen im Kopf speichern, ist in Wirklichkeit
nichts weiter als Vergänglichkeit. Wunderschön, selten, aber nicht von Dauer. Hinter den Dünen steht ein Kiosk, den
eine nette Frau betreibt. Es ist die richtige Zeit für eine Bockwurst in salziger Seeluft plus einer Ladung Pommes mit
Zwiebeln und Lachsschnitzeln darüber gestreut. Ihre eigene Kreation, sagt sie und freut sich über unser Lob. Lily ist das
egal, denke ich, während sie mir die Happen aus den Fingern schnappt. Sie ist ziemlich aufgewühlt von diesen Stunden
und Hunger hat sie natürlich auch.
Den Weg zurück nach Gollwitz laufen wir durch einen langen Weg, den links und rechts alte Weiden säumen, aus deren
Knorpelköpfen schon wieder frische Rutentriebe wie beim Struwelpeter sprießen. Auf der Insel wird es wohl einen
Korbmacher geben, vermute ich, denn ganz gleich, wo man auf der Insel hinkommt, diese Weiden mit den
abgeschnittenen Ruten, sind fast überall zu finden. Natürlich auch solche, die ihre struwelige Pracht noch tragen. Einige
von ihnen haben durch die „Behandlung“ sogar Löcher ausgebildet, durch die hindurch man die Welt mit anderen Augen
erfahren kann, fast wie durch ein Brennglas. Wieder in Gollwitz angekommen, fällt mir der fast verschlafen wirkende
Eindruck auf, gäbe es nicht einige Restaurants und kleine Hotels, rund um einen Dorfteich gruppiert, der still im
Dorfzentrum vor sich hin träumt. Irgendwie, so scheint es, ist die Zeit stehen geblieben und das meine ich durchaus
positiv. Wer Erholung in Abgeschiedenheit sucht, ist hier genau richtig, ohne auf Niveau verzichten zu müssen.
Am Nachmittag sitzen wir im Hafen von Kirchdorf. Mein Fischbrötchen mit leckerem Heilbutt schmeckt mir vorzüglich,
aber ich habe irgendwie zu viel Brötchen statt Fisch in der Hand. Die Naschereien gibt es hier fast überall und dieses
habe ich von einem im Hafen liegenden, zum Fisch-Kiosk umgebauten Kutter gekauft. Sogar ein etwas älterer
Fischerkahn liegt festgezurrt am Pier. Dahinter läuft gerade die Fähre nach Wismar aus. Die Sonne ballert, als wäre es
Hochsommer, aber der frische Wind kühlt die Haut scheinbar ab. Das ist trügerisch, ja kreuzgefährlich, wie ich von
meinen Segeltörns in Erinnerung habe. Der Sonnenbrand ist schneller da, als man ihn bemerkt. Auch in diesem kleinen
Hafen liegen einige solcher Segler am Steg, die zum Segelklub der Insel gehören. Ich spüre Lust, auf einen Kahn zu
steigen und abzulegen. Doch wir ziehen uns zum Bungalow zurück, zünden das Holz im Kamin an und genießen es, an
diesem Fleck gestrandet zu sein. Spät am Abend versinkt der glühende Sonnenball hinter den Dächern und verteilt von
da aus das letzte wärmende Tageslicht über die Wiesen. Der Tag versinkt wahrscheinlich gerade mit einem glühenden
Leuchten weit draußen über der Ostsee. Dort müsste man jetzt ebenfalls sein, aber das können wir der müden
Hundedame nicht mehr antun. Im Schlafkissen fallen ihr die Augen zu und nur Augenblick später hört man ein
Schnarchen im Raum. Gute Nacht, kleine Lily.
Fortsetzng folgt im Teil 3 -
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