Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Zum Ramseck auf dem Rammelsberg                                                                               19.08.2023 Manchmal stehe ich zu Fuße des Rammelberges in Goslar. Mein Blick geht nach oben, wo über den Wipfeln der Bäume Paragleiter elegant mit den Aufwinden schweben. Dann denke ich, man müsste einmal dort oben sein und ihnen zuschauen können. Dumm nur, dass keine offizielle Straße zu dem Startplatz führt. Dem Durchschnittsbürger bleiben nur die Wanderwege und die eigenen Beine. Man sollte aber wissen, dass der Rammelsberg 635 Meter hoch ist. Die Hälfte davon erhebt sich über die Stadt Goslar. Doch ich habe eine Idee und da ich gerade wieder in Goslar weile, um eine fröhliche Familienfeier mit meiner Anwesenheit zu erfreuen, nutze ich am Nachmittag ein Zeitfenster. Kaffee und Kuchen sind eh nicht meiner Sehnsüchte Begehren. Mein Körper schleppt ohnehin schon zu viel mit sich herum. Ich sollte eher abspecken, statt zusätzlich etwas anzufressen! Mit dem Auto kann man bis zur Ausfluggaststätte „Maltermeister Turm“ fahren. Man kassiert dadurch rund einhundert Höhenmeter. Bis zu meinem Wanderziel, der Stempelstelle 114 Ramseck, bleiben mir also noch 170 Meter nach oben, verteilt auf zweieinhalb Kilometer. Leicht zu schaffen, denke ich mir, und ahne nicht, wie sehr ich mich wieder einmal verschätze. Egal, mein Gefährt parkt und ich wähle einen unscheinbaren, etwas überwucherten Waldweg in den Hang hinein. Ich bin allein in der Natur, glücklich und zufrieden. Zu beiden Seiten ist der schmale Pfad mit Brombeerhecken überwuchert. Viele davon sind reif und sie schmecken. Umgestürzte Baumreste kann ich gut umgehen, doch bald wird der Weg breiter und steil. Rechts richtet sich der Hang auf, links kann ich ins Tal auf Goslar blicken und vor mir scheint der Weg geradewegs in den Himmel zu führen. Die Füße setze ich jetzt fast automatisch Schritt um Schritt, bis hinter der nächsten Biegung die nächste steile Strecke sichtbar wird. So gehe das eine halbe Stunde und nur manchmal bleibe ich stehen, um den Blick auf die Stadt zu genießen. Mein Puls rast und mein Körper stößt Unmengen Schweiß aus. Kurz vor einer 180°-Kehre steht eine Bank mit Blick zur Stadt. Ich brauch ’ne Pause! Vor mir breitet sich ein Panoramabild von Goslar aus. Verwinkelte Straßen und Gassen, alte Häuser im Fachwerkstil, dazwischen der Markt mit der Marktkirche. Irgendwo da unten isst man gerade Kuchen und trinkt Kaffee dazu. Ich sitze hier oben, ziemlich ausgepowert und frei von Erwartungen anderer  und den Zwängen gesellschaftlich aufgeblasener Normen. Da habe ich mich einfach ausgeklinkt, mich für zwei, drei Stunden befreit. Da unten wird wegen meiner Wanderlust die Zeit nicht stehen bleiben. Alles wird seinen Gang gehen, es wird Friede, Freude und sogar Streit geben. Doch erst mal trinke ich Wasser aus der Flasche. Ich liebe diese Einsamkeit, die herrliche Stille in der ich hier sitze. Vor mir das Tal, hinter mir ein Weg, die noch zu ersteigen ist. Auf geht’s! Jetzt steige ich in die entgegen der bisherigen Richtung weiter, doch dieser Weg ist so richtig steil und voller Steine. Ich gehe in Intervallen aufwärts, um nicht zu überhitzen. Schwitzend keuche ich immer weiter, erklimme einen kahlen Hang, auf dem sich der steinige Weg aufwärts windet und nackte, tote Baumriesen aufragen. Meine Knie sind butterweich, doch irgendwo da vor mir muss doch endlich ein Hinweis kommen. Nach einer weiteren halben Stunde ist eine kleine Lichtung mit der nächsten 180°-Kehre erreicht. Ich bin schlapp. Meine Karte möchte mich geradeaus in den Wald schicken. Aber dort führt nur ein schmaler Trampelpfad, kaum sichtbar und fast senkrecht, diesen Hang hinauf, zwischen den Bäumen hindurch und mit Schiefern übersät. Kein Hinweis, kein Schild, nichts! Von unten kommt mir ein Wanderer entgegen. Der keucht mindestens ebenso wie ich, scheint sich aber auszukennen. Also folge ich ihm vorsichtig. Nach wenigen Schritten bin ich am Limit, blinkt meine rote Warnlampe. Mein Puls hämmert, ich steige automatisch in kleinen Intervallen und mit Pausen dem Mann hinterher. Keine Chance, ich kann ihm weder folgen noch sehen. Ich quäle mich weiter, mein innerer Schweinehund meckert hämisch, meine Lunge scheint platzen zu wollen. Dann endlich sind eine Kante sowie ein Weg zu erkennen. Die letzten Schritte über die Steine sind eine Qual. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich wäre auf allen Vieren über die Kante gekrochen. Ich bin „ferx und fickig“, habe weiche Knie und das alles nur wegen eines Wanderstempels, der da vorn wartet? Nein, zum Glück nicht! Ich habe mich selbst überwunden, nicht aufgegeben und stehe endlich kaputt, aber glücklich, vor dem Ramseck auf dem Rammelsberg. Total ausgepowert, aber nach einer reichlichen Stunde am Ziel! Vor mir ragt ein kleiner felsiger Hügel auf. Das Ramseck ist ein Schieferfels direkt am Hang. Daneben eine Schutzhütte mit einer Bank davor. Meine! Ich brauche zwei Minuten, um meinen Körper wieder halbwegs zur Ruhe zu bekommen. Erst jetzt kann ich mir den Stempel in mein Wanderheft drücken, mich über den Erfolg freuen. Es ist eine Schinderei, eine Strapaze, sich hierher zu begeben. Doch ist man erst einmal angekommen, steht auf dem kleinen Felsplateau, wird man mit einer traumhaften Aussicht belohnt. Unter mir das Besucherbergwerk Rammelsberg. Von da dröhnt Livemusik herauf zu mir. BAB sind bei Miners-Rock zu Gast, ehe die Konzertreihe eingestampft wird. Mein Blick wandert über die Häuser von Goslar bis weit in die Ebene. Es hat sich gelohnt, es ist einfach fantastisch! Ich lasse die Augen noch eine Weile schweifen, ehe ich mich wieder auf den Rückweg begebe. Mit mir bin ich im Reinen. So ein Stempel ist im Grunde nur ein Vorwand, die Möglichkeiten seines Körpers auszuloten und in der Stille der Natur sowohl körperlich, als auch geistig zu entschlacken. Es gibt ein paar Gründe, weshalb ich heute wieder wandernd unterwegs bin. Einer ist Liz und Gedanken an das Unabänderliche, das einem beim Älterwerden immer öfter begegnet, während ich nun Schritt für Schritt dem wieder entgegen wandere, was Realität zu sein scheint. Den steilen Abstieg im Wald lasse ich links liegen, ich übersehe ihn bewusst. Dieser Weg führt auch abwärts und ich lasse mich überraschen, wohin. Die Stille im Wald und auf der Bergeshöhe ist mein schweigsamer Begleiter. Bald ist eine Biegung erreicht. Zwei riesige Berge mit aufgeschüttetem Todholz lassen erahnen, was aus den Wäldern wurde, die den Berg einst zierten. Da vorn über mir befindet sich der Startplatz der Paragleiter, die heute nicht gleiten wollen. Schade, ich wäre sonst dort hinauf gegangen. Am Haufen vorbei führt ein anderer Weg weiter ins Tal und dann erreiche ich die Lichtung, wo die Abkürzung steil in den Berg führt. Jetzt kenne ich die Alternative, falls ich eines Tages doch noch zum Startplatz der Gleiter steigen möchte. Von nun an lasse ich mich nur noch vom Berg „rollen“. Jeder Schritt ist ein leichter Stoß direkt in Hüfte und Rücken. Ich spüre jeden einzelnen, habe aber keine Wahl. Jede Biegung ist mir jetzt schon einmal aus der anderen Richtung bekannt und ich weiß jetzt auch, wie weit es noch bis runter ist. Der Blick über die Stadt mit der Kaiserpfalz ist dennoch reizvoll sowie zauberhaft schön. Die Zeit dafür lasse ich mir, versuche einige Details zu entdecken, ehe ich weiter gehe. Von hier oben mutet diese Welt im Tal so herrlich klein, beinahe bedeutungslos an. Ich erliege der Vorstellung, die Marktkirche mit zwei Fingern aus dem Stadtensemble herausnehmen zu können, wie einen Baustein. Dass Menschen dort leben, mit all ihren Träumen, Idealen und Fehlern, mit ihrer Liebe oder vielleicht auch Hass – nichts von allen scheint im Augenblick real zu sein. Mitten hinein in dieses hektische Menschenleben werde ich gleich wieder eintauchen. Der Parkplatz ist schon in Sicht- und Hörweite. Als ich Minuten später den Berg hinab rolle, unten ankomme, sind alle Straßen zugeparkt. BAB gibt ein Konzert am Rammelsberg und die Massen strömen hin. Ich bin wohl der Einzige, der sich diesem Strom entgegen bewegt. Schöne Metapher. Passt.