Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Auf dem Präsidentenweg zur Rosstrappe
20.10.2024
Viele sagen, dies wäre die schönste Jahreszeit. Es ist Herbst geworden, in der Natur und in meinem Leben. In diesen
Tagen präsentiert sich die Natur im Harz von einer besonders zauberhaften Seite. Die Laubwälder zeigen sich in
tausenden Variationen von Braun, Gelb, Rot, Grün und sogar Gold. Verschwendet dann noch die Sonne ihr Licht
überschwänglich, entsteht ein intensives Farbenspiel, das die Augen überrascht. Diesen Zauber zu erleben, muss man
raus aus den vier Wänden und den Sinnen viel Raum geben. Genau dafür bin ich heute nach Thale gefahren, wo das
Tal der Bode sich in die Weite der Ebene öffnet.
Doch nicht das Tal des Flusses ist mein Ziel, sondern der steile Weg, der sich vom Ufer der Bode im Tal zwei Kilometer
in die Höhe zum Berghotel der Rosstrappe schlängelt. Man überwindet zweihundert Höhenmeter, indem man jeden
einzelnen Meter selbst zu spüren bekommt. Eine körperliche Herausforderung, jedenfalls für mich!!
Schon die ersten Meter gleich zu Beginn sind nicht ohne! Man stolpert über einen „Teppich“ aus faustgroßen Steinen
straff aufwärts, direkt in den Hang hinein. Keine Aufwärmphase, es geht sofort zur Sache. Nach gut zweihundert Metern
bin ich platt und entledige mich der dicken Weste. Durch ein Lichtspektakel aus allen Naturfarben steige ich stur immer
weiter. Nur nicht nachdenken, nur gehen. Schon bald kann ich die ersten Blicke runter auf die Stadt genießen. Ich sehe
die Kirchturmspitze unten und die Gondeln der Seilbahn zum Hexentanzplatz jetzt schon auf meiner Höhe. Es geht
stetig und kurvenreich am Hang entlang in die Höhe. Plötzlich eine Lichtung und schon schwebt eine offene Gondel vom
Sessellift über mich hinweg dorthin, wo auch mein Ziel auf mich wartet.
Der Hangweg, jetzt wirklich angenehm zu begehen, schlängelt sich durch einen farbenfrohen herbstlichen Laubwald.
Baumriesen, bis zur Spitze grellrot, stehen wir Laubfackeln an exponierten Stellen. Immer wieder bleibe ich stehen, um
intensiv staunen zu können. Ich fühle mich wie im Rausch, von natürlicher Schönheit und Grazie eingefangen und
verwöhnt. Nichts tut mehr weh, der alte Rock-Rentner freut sich, all das noch erleben zu dürfen – und dann bin ich an
der Kehre, am Ende der ersten Schleife. Eine Kehre um 180 Grad und wieder blicke ich direkt auf ein extrem steiles
Stück des Weg vor mir.
Plötzlich sind meine Oberschenkel weich und ich ahne, dass jetzt das schwerste Stück kommt. Der Blick ins Tal zeigt mir,
wie weit oben ich mich quäle. Der Präsidentenweg macht seiner Bezeichnung gerade alle Ehre: knackig, steil,
anstrengend, aber wunder-, wunderschön. Diese Farbenpracht ist überwältigend, ein einziges prächtiges Feuerwerk für
die Sinne. Es duftet nach Wald, nach Pilzen und prallem Leben. Alles echt, nichts steril oder gar gestylt – grandios!
Vor mir ein paar Stufen und dann stehe ich schon wieder unter einem Stahlmast. Der Lift befördert Touristen aus dem
Tal in die Höhe. Ich winke manchem zu, fordere sie lachend zum Aussteigen auf. Doch meine Art, die Höhen zu erobern,
finde ich inzwischen erlebnisreicher, intensiver und schöner. Auf einer klobigen Bank gönne ich mir eine
Verschnaufpause und einen kräftigen Schluck. Jetzt bin ich fast eine Stunde im Aufstieg und ein Ende nicht in Sicht.
Dafür Steine und manchmal Treppenstufe, die viel zu hoch ausfallen, zumindest für meine künstliche Hüfte. Dann
wieder eine Lichtung im Hang, doch diesmal reckt sich eine Felsklippe aus den Baumwipfeln über das Tal empor – die
Bülowshöhe.
Über eine steile Treppe gelangt man zur Klippenkanzel auf der Spitze. Die ist mit einem Geländer gesichert, mit einer
Bank ausstaffiert und mit einer Wetterfahne mit dem Wappen von Thale verziert. Gut zweihundert Meter über dem
Bodetal genieße ich einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und den Hang gegenüber mit der Gondelseilbahn, dem
Bergtheater und dem Hexentanzplatz. Auch auf die Rosstrappe kann man blicken. Das alles bei traumhaft schönem
Wetter im goldenen Herbst. Schnell noch ein Erinnerungsfoto von einem der Wanderer schießen lassen. Nach dem
Abstieg von der Klippe erwartet mich der nächste Anstieg. Von hier brauche ich noch fünf Minuten steil bergan, nehme
die letzten Treppenstufen mit letzter Kraft und betrete endlich nach eineinhalb Stunden die Terrasse vom Berghotel der
Rosstrappe - verschwitzt, ausgepowert und glücklich, diesen Ritt gemeistert zu haben.
Mein Weib(chen) hat inzwischen den Sessellift getestet und erwartet mich. Wieder einmal verschenke ich ein kleines
Harzsteinchen an ein Mädchen (mit Eltern). Die sehen dabei richtig glücklich aus. Die Gaststätte ist geschlossen, also
runter ins Tal. Gemeinsam gehen wir zum Sessel-LIFT. Wir lassen uns dort, samt unserer zwei Rucksäcken und einem
Wanderstab, in eine Gondel verfrachten und genießen dann das Schweben ins Tal. Zum krönenden Abschluss gönnen
wir uns noch eine Bratwurst vom Grill und schlendern dann entspannt zum Parkplatz. Wieder einmal durfte ich erleben,
wie der Harz im Herbst einen ganz eigenen Naturzauber entfaltet. Wer dieses Schauspiel verpasst hat, muss ein ganzes
Jahr warten. Dann kann man wieder einen zauberhaften Herbst im Harz genießen – auch den im Leben.