Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Klippentour - die Zweite
16.05.2024
Mir kam ein Ballon zugeflogen, mit einer Gondel daran. Drinnen ein Päckchen, das eine Portion Frust enthielt.
Unerwartet, nicht bestellt, unangenehm. Was macht man mit so etwas? Zwei Tage habe ich den Frust mit mir
herumgetragen, doch jetzt habe ich genug davon, es reicht! Ich schaffe die Ladung fort, auf die Berge, in den Wald, wo
sich der Frust verflüchtigen kann. Ich gönne mir einen zweiten Ausflug zu den Klippen, hinter den Hohnehof, auf halber
Höhe zum Brocken. Dort reicht der Blick weit bis in die Ebene und es weht ein laues Lüftchen. Das mag den Frustballon
erfassen und mitnehmen, möglichst weit weg und dann zerzausen.
Zunächst komme ich gar nicht in Tritt. Mir sind die Beine schwer und der kurze Weg zum Hohnehof scheint heute
besonders lang zu sein. Die Harzer Rindviecher auf der Weide schauen mir dabei einen Augenblick lang zu. Mit Ballast
im Hinterkopf bleiben die Leichtigkeit auf der Strecke und ein kleiner Harzstein auch. Erst nach zwei Kilometern, die
Rangerstation schon in Sichtweite, wird mein Gang wieder flüssiger und Schritt für Schritt verflüchtigt sich die Schwere
im Kopf. Nach dem Abzweig zur Dreikäseklippe zählen nur noch dieser Weg, die Baumstümpfe und die riesigen Steine
überall im Hang. An so einem Brocken steigt ein Harzstein aus und bleibt sitzen. An der Dreikäseklippe springt mir der
nächste aus der Tasche. Eine kleine Vertiefung im Stein scheint ein guter Platz für ihn zu sein. Von da kann er die
Aussicht auf Wernigerode genießen, die auch ich wieder bestaune.
Heute gehe ich zügig an den „drei Käsesteinen“ vorbei, lasse sie hinter mir zurück. Noch einmal ist der Gang schwer,
denn der Weg führt bergan. Dann hat er seinen Zenit erreicht und ich ein Panorama vor Augen, das mich wieder einmal
begeistert. Wie auf einem riesigen Tablett liegen Harzberge und viele Täler ausgebreitet vor mir und ihnen zu Füßen
Wernigerode. Ich kann Wege erkennen, auf denen ich schon unterwegs war und Berge, auf denen ich stand. Sogar der
Ottofelsen lugt mit seiner steinernen Kappe über die Baumwipfel heraus. Ich kann die Steinerne Renne erahnen und
weiß, wo sich andere Orte hinter Bergen verstecken. All das zu bewundern, es aus anderer Perspektive zu entdecken,
lasse ich mir etwas Zeit. Das Gefühl, hier angekommen zu sein, ist überwältigend und schön. Irgendwo da, zwischen
Himmel und Erde, schwebt jetzt auch mein Frustpaket in die Weite, während ich mich dem nächsten steinernen Haufen
zuwende.
An der Arnoldklippe angelangt, gönne ich mir eine Rast sowie einen ausgiebige Aussicht zum Brocken. Ich könnte ins
Schwärmen geraten, bin gerade ungemein glücklich, diese Momente erleben zu dürfen. Mit manchem meiner Freunde
und Wegbegleiter würde ich jetzt gern hier sitzen. Hier finde ich genug Ruhe, mich an sie zu erinnern und meine
Gedanken weit zurück schweifen zu lassen. Sie fehlen mir in diesen Zeiten zum Reden oder auch gemeinsam zu
schweigen. Ein Harzstein bleibt symbolisch für sie alle an diesem Ort liegen und sollte er gefunden werden, gehen die
Erinnerungen an viele großartige Menschen mit ihm vielleicht auf die Weiterreise. Mir gefällt die Vorstellung, meine
Erlebnisse im Harz gedanklich mit Freunden zu teilen, die vor mir gehen mussten.
Die Arnoldklippe ist ein ziemlich großer Haufen übereinander „gestapelter“ Steine. Als Jungspund wäre ich da vielleicht
raufgeklettert, heute erfreue ich mich an diesem Gebilde, der Verwitterung ausgesetzt und dennoch wird es uns
überleben, wenn wir nicht aufpassen und vernünftig werden. Der Weg führt hinter dieser Klippe weiter, nun aber
abwärts, immer den Brocken in Blickrichtung. An einer Kreuzung entscheide ich mich, weiter abwärts, statt hinauf in die
Berge, zu gehen. Der Hauptweg wird auch der Rückweg sein, der mich noch an den Hohensteinklippen vorbei führen
soll. Dort angekommen, bin ich quasi wieder auf der Piste zurück und schon bald habe ich die nächsten Klippen erreicht.
Die Hohensteinklippen sind auch „nur“ ein Haufen gewaltiger Steine, die von Bäumen und Sträuchern überwuchert, und
deshalb schwer zu erkennen sind. Auch sie locken zum Besteigen, doch vernünftig wäre das sicher nicht. Zwei weitere
kleine Harzsteine verabschieden sich in die Umgebung rings um die Hohensteinklippen, machen es sich an sonnigen
Stellen gemütlich. Da bin ich schon wieder auf der Wanderpiste, vorbei an der Rangerstation und dem Hohnehof, wo
eine Kinderschar ausgelassen spielt. Mir geht’s gut, von Frust keine Spur mehr, nur meine Beine sind nach vier Stunden
ein wenig schwer geworden. Macht nichts, die nächste Tour nimmt im Hinterkopf schon Gestalt an.