Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Inselurlaub auf Poel
3. Besinnung - Goodbye Peter „Pjotr“ Kschentz
13.05.2019
In Gollwitz, ganz im Norden der Insel, stehe ich vor einem Gehöft und frage den Besitzer, ob ich seine Blumenpracht
auf dem Hof aus der Nähe knipsen darf. Statt einfach nur zu nicken oder zuzustimmen, beginnt er von sich zu erzählen.
Von seinem Wein an der Scheunenmauer und dass er den gar nicht erst in Flaschen gefüllt, sondern ihn gleich
getrunken hätte. Nämlich gemeinsam mit einem Gast, ein Musiker, wie er selbst auch einer war. Den Namen des
Musikers, Klaus Renft, den würden wir nicht kennen. Nun muss ich doch etwas verschmitzt lächeln. Von jetzt auf gleich
sind wir im Gespräch, wir tauschen Erinnerungen sowie Episoden aus und dabei erzählt er mir, dass hier auf Poel Pjotr,
also der Multi-Instrumentalist von der KLAUS RENFT COMBO, seine letzte Ruhestätte gefunden hat und dass ich sein
Grab auf dem Friedhof in Kirchdorf finden könne. Das mit Poel, einem Gedenkkonzert für Pjotr und seiner letzten
Ruhestätte auf der Insel, das alles war mir schon bekannt. Durch diese Bekanntschaft weiß ich jetzt auch, wo ich
nachschauen und mich erinnern werde.
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In Kirchdorf kann man auf zwei Friedhöfen suchen, wenn man, so wie ich, keine Anhaltspunkte hat. Also stelle ich mich
klug, begebe mich zur Kur- und Gemeindeverwaltung und trage dort freundlich mein Anliegen vor, die Grabstätte eines
Rockmusikers einer legendären DDR-Combo finden zu wollen. Zunächst blicke ich in erstaunte Gesichter, statt eine
hilfreichen Antwort zu erhalten. Niemand weiß wirklich irgendetwas. Nach einigem Drängeln dann ein Hinweis auf das
Pfarramt gleich um die Ecke, hinter dem Parkplatz zum Supermarkt, sowie auf den Friedhofsgärtner. Beim Pfarramt
öffnet mir eine freundliche Dame mittleren Alters, die aber so überhaupt keine Ahnung oder Idee hat: „Mein Mann ist
soeben weggegangen und ich weiß leider gar nichts.“ Gut, denke ich mir, dann sind Sie ja hier genau richtig und
verabschiede mich wieder.
Der nächste Gang führt uns auf den Friedhof der Gemeinde, wo eine freundliche Dame glaubt, dass so ein Grab auf der
rechten Seite, irgendwo dort – sie zeigt mit ihrem Finger - sein müsse. Man hätte sie schon einmal danach gefragt, aber
sie wisse es nicht mehr ganz genau. Also teilen wir uns auf und pilgern, mit dem Hund auf dem Arm, durch die Reihen.
Vorbei an Grabsteinen und an gepflegten oder verwilderten Grabstätten, an großen sowie an kleineren Gräbern, aber
nirgends ein Hinweis, die letzte Ruhestätte des Musikers betreffend. Etwas frustriert reift daher der Entschluss, hinunter
zum Hafen zu fahren, wo gleich nebenan der andere Friedhof, mit der Kirche im Zentrum, zu finden ist. Hier endlich
treffe ich den Friedhofsgärtner, der mir sehr freundlich und detailliert erklärt, dass die Ruhestätte des Musikers der
Klaus Renft Combo auf dem anderen Friedhof, von dem wir soeben hierher kamen, zu finden ist. Also wieder zurück,
alles auf Null und dann ein zweiter Versuch.
Die Beschreibung des Gärtners ist derart exakt, dass ich schon nach wenigen Schritten direkt vor dem Grab von Pjotr
stehe, ohne es sofort zu bemerken. Für einen Moment ist es ganz leise um uns herum, nicht einmal ein Vogel irgendwo,
der zwitschern würde. Mir wird bewusst, dass hier der dritte Musiker der einst legendären Kapelle ruht, die nicht mehr
unter uns weilen. Bei Cäsar und Klaus in Leipzig auf dem Südfriedhof habe ich schon oft gestanden und mich erinnert.
Nun weile ich auf Poel, habe Urlaub im Sinn und doch stehe ich vor der letzten Ruhestätte eines Mannes, der vielen in
meiner Generation wichtig ist. So wichtig, dass sie im Sommer als Urlauber und Biker hierher kommen und sich nach
der Grabstätte erkundigen, lässt mich der Gärtner wissen. Das alles ist schon ziemlich verrückt. In meinem Kopfkino
laufen die Bilder aus vergangenen Tagen vorüber und wieder einmal wird mir bewusst, dass dies auch mein Leben war,
dem ich hinterher suche und die kleine Melodie vom „Poeler Insellied“, mit dem Klang eines Akkordeons, die auf seiner
Solo-Scheibe „Was ich noch vergaß“ zu finden ist, klingt in meinen Ohren:
„Als Insulaner musst du nicht in die Welt,
du bleibst auf der Insel und sparst viel lieber dein Geld,
du musst nicht nach Zypern und nicht nach Hawaii,
du öffnest das Fenster und hörst Möwengeschrei:
Wir sind unter uns.“
Pjotr’s Grabstätte lässt bei mir einen besonderen Eindruck entstehen. Sie wurde sehr liebevoll sowie mit bescheidenen
Mitteln angelegt und gestaltet. Seine Frau hat am steinigen Strand mühsam weiße Steine aufgelesen und sie hier zu
einem gleichmäßigen Teppich gefügt, hat mir der Gärtner verraten. An das Kopfende ist ein schlichter dunkler Stein
gestellt mit der Aufschrift: Goodbye Peter Kschentz; „Pjotr“ 13.10.1941 – 18.09.2005 und ganz oben ist ein kleines
Saxophon eingeritzt. Um den Rand der Ruhestätte sind kleine Pflöcken eingeschlagen und an ihnen ein Seil befestigt.
So entsteht der Eindruck, als wäre dies eine kleine Rehling und man könne hingehen sowie einen Blick darüber, auf die
See draußen, werfen. Vielleicht war in Pjotr so ein heimlicher Seemann versteckt, der diese, seine Leidenschaft erst in
viel späteren Jahren, nach der Leidenschaft für Rockmusik, ausleben konnte oder auch wollte. Nun „segelt“ der beliebte
Rocker irgendwo durch die unendlichen Weiten, an die Rehling seines „Seglers“ gelehnt, und singt die Musik seiner
Kapelle oder eigene Lieder. Natürlich werde ich CÄSAR und Klaus Deine Grüße von diesem Ort ausrichten und den
Weggefährten im CÄSAR-Fanclub erzählen, wie es hier ist. Es fühlt sich gut an, Dich hier gefunden zu haben, Pjotr, und
eine besondere Erinnerung mehr mit nach Hause nehmen zu können. Bis denne, irgendwann, Skipper Ahoi und eine
gute Reise weiterhin.
Forsetzung folgt im Teil 4 -
HIER
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