Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Höhle Volkmarskeller (nahe Blankenburg)
02.06.2023
Freitag nach Eins macht jeder seins. Der Spruch ist so alt wie die Fünftagewoche, vermute ich. Was aber keiner weiß:
der hat auch für Rentner Gültigkeit. Weil es Freitag ist sowie kurz nach Eins, lassen wir alles stehen und liegen. Von
Halberstadt bis Blankenburg dauert es heute eine Viertelstunde. Wir geraten für ein paar Minuten in den Berufsverkehr,
erreichen den Parkplatz am Kloster Michaelstein gut gelaunt kurz vor 14.00 Uhr. Bis zum Volkmarskeller, einer Höhle
mitten im dichten Wald, sind es gerade mal vier Kilometer. Etwas später kommt noch die Ergänzung „bergan“ hinzu. Da
ist es aber bereits spät.
Irgendwie fällt es mir heute schwer, in Gang zu kommen. Meine Gelenke weigern sich, also muss ich mich besonders
anstrengen. Zum Glück scheint der Weg einfach nur in den Laubwald zu führen, von Biegung zu Biegung und jedes Mal
ändert sich die Umgebung ein wenig. Schon bald hat uns das Grün vollständig verschlungen. Links, ein paar Meter
unterhalb des Weges, plätschert der Goldbach müde vor sich her, rechts steigt der Wald sanft aufwärts. Es ist einfach
nur idyllisch und meine Bewegungen werden auch allmählich geschmeidiger. Nach einer halben Stunde ist der Motor
warm gelaufen. Passt!
Wir bewegen uns durch einen Laubwald. Man kann skurril geformte Baumstämme sehen oder Farne am Waldrand
entdecken. Es bereitet mir Vergnügen, nach Besonderheiten Ausschau zu halten und so alles andere einfach
abzuschütteln. So oder so ähnlich wird der Harz auch weiter oben bald wieder zu erleben sein, denke ich. In vier oder
fünf Dekaden wird überwiegend Mischwald gewachsen sein und der Harz wird sein ursprüngliches Aussehen
präsentieren. Als mir einige Radfahrer von oben entgegen brausen, wird mir klar, dass es schon eine Weile bergan geht.
Wir lassen eine Schutzhütte hinter uns und das Blätterdach wird dichter, der Wegrand rückt näher. Manchmal zeigt sich
nacktes Felsgestein und immer wieder gefallene und zersägte Baumriesen. Wir laufen jetzt eine reichliche Stunde,
davon die Hälfte aufwärts. Dieser Waldweg ist eine furchtbare Buckelpiste. Man läuft auf Steinen, die fest im Weg
stecken. Zwar suche ich mir die weichen Rand- oder auch Mittelstreifen, weil dort Gras wächst oder Laub liegt, trotzdem
ist bei jedem Schritt auch der Kontakt zum Gestein gut spürbar. Zum Glück tragen wir Wanderschuhe, deren Sohlen
einiges abhalten. Stunden später, also am Abend, werde ich meine brennenden Füße erst richtig spüren.
In einer Wegbiegung steht ein großer Stein aufrecht. Die Inschrift einer Tafel erinnert den Wanderer an acht Bergleute,
die bei einer Explosion in der Grube Volkmar im März 1893 ihr Leben ließen. Wir haben jetzt den längsten Abschnitt
hinter uns, einen straffen Weg von ein paar hundert Metern noch vor uns. Den werde ich allein bewältigen, haben wir
beschlossen. Niemand muss über seine Grenzen hinaus wandern, es soll Vergnügen bleiben. Ich folge den zwei
Radfahrern, die mich überholen. Der Stempel mit der Nummer 87 wartet auf mich. Den erreiche ich Minuten später an
einer Gabelung, die eigentliche Höhle Volkmarskeller befindet sich fünfzig Meter weiter und oben im Hang. Verschwitzt
wie ich bin, quäle ich mich den steilen, steinigen Trampelpfad hinauf. Wenn ich schon hier bin, will ich die Höhle
natürlich auch sehen, mir ein Bild machen.
Wenig später stehe ich davor, bin außer Puste und glotze in zwei große dunkle Löcher im Felsgestein. Ziel erreicht, der
Weg war das Ziel und die Bewegung an frischer Waldluft der Lohn aller Mühen. Zwei, drei Fotos von diesen Löchern,
Volkmarskeller genannt, gönne ich mir. Ich versuche, mir vorzustellen, dass hier vor rund eintausend Jahren eine Kirche
stand. Unweit dieses Gotteshauses, nämlich in dieser Höhle, sollen fromme Einsiedler gelebt haben. Die Jahrhunderte
überwucherten die Löcher, bevor sie vor rund 140 Jahren freigelegt wurden. Im Harz verbergen sich viele
geheimnisvolle Orte, die einiges zu erzählen haben. Ich taste ich mich vorsichtig wieder am Hang abwärts. Nur nicht
ausrutschen oder fallen! Am Stempelkasten drücke ich mir die 87 ins Wanderheft und stelle fest, das die Trinkflasche im
anderen Rucksack steckt, dessen Träger seit einer halben Stunde auf dem Rückweg ist – den habe ich jetzt noch vor
mir. Vier weitere Kilometer, diesmal bergab, und eine trockene Portion Durst im Mund.
Ich komme erstaunlich gut und ziemlich schnell voran. Eine Gruppe wandernder Frauen begegnet mir. Die wollen
dorthin, wo ich gerate her kommen. In der kommenden Stunde werde ich keinem weiteren Menschen begegnen, nur
stur und zügig dem Weg zum Gasthaus „Klosterfischer“ folgen. Hier werden in kleinen Teichen Fische gezüchtet, die
später auf einem Teller oder im Fischbrötchen landen. Meine Entscheidung heißt Bockwurst. Die hatte früher noch
Geschmack, und Kaffee, der es dem Würstchen gleich tut. Massenabfertigung, obwohl die heute gar nicht da sind. Das
Aufstehen fällt mir schwer, die Knochen schmerzen und werden mir noch den Rest des Tages „versüßen“. Die nächste
Wanderung aber wird genau so oder so ähnlich enden. Es muss ja nicht wieder Freitag nach Eins sein.