Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Wintersonnenwende,                                                                                               21.12.2020 (erlebt auf dem „Königstein“ der Teufelsmauer und unter dem „Stern von Bethlehem“.) In diesem Ding voller Unendlichkeit und viel Nichts, zieht unsere Milchstraße ihre Bahn und an deren äußerem Rand ein Planetensystem. Im Zentrum ein glühender Stern, unsere Sonne, und auf einem der Planeten, den wir Erde nennen, lebt unsere Spezies. Der Lebens- und Wärmespender schenkt uns regelmäßig Tag und Nacht, Sommer und Winter, während wir auf der Erde um sie herum „kreisen“. Hier „unten“ wechseln die Jahreszeiten und die Sonne erreicht ein Mal im Jahr ihren höchsten und ihren tiefsten Stand über dem Horizont: die Sommersonnen- und Wintersonnenwenden. Heute, kurz nach 14.00 Uhr, ist es wieder soweit. Dann durchquert unsere Sonne den tiefsten Punkt und danach werden die Tage langsam wieder länger. Diese „Durchfahrt am Himmelsbahnhof“ will ich mir genau ansehen. Mich treiben Unruhe und Erinnerungen hinaus, ich will weg vom traurigen Geschehen im Netz und weg von den frischen Erfahrungen im eigenen Umfeld: vor einer Woche und nach sechzehn so wundervollen gemeinsamen Jahren ging unsere kleine Hundelady Lily für immer. Ihr folgte vor zwei Tagen Kundi, der Freund und jüngere Bruder im Geiste. Die beiden lassen mich mit der Frage zurück, wie es nun weitergehen und wie ich mein Leben gestalten soll. Im Augenblick schwebe ich, wie Saturn und Jupiter bei ihrer scheinbaren Begegnung im All, irgendwo im Nichts, habe kaum Boden unter den Füßen und sehne mich einfach nur nach Ablenkung und innerer Ruhe. Heute ist der 21. Dezember, Wintersonnenwende. Heute vor neun Jahren erschien mein Büchlein vom „Lebensgefühl Rockmusik“ und am gleichen Tag erblickte mein erstes Enkelkind das Licht dieser Welt. Es ist Winteranfang und wir leben in einer gefährlichen Pandemie. Die Trauer der letzten Stunden ist gut verpackt, tief in mir drinnen, damit sie niemand erkennen kann. Die Sonne scheint auf ihrem Weg zum tiefsten Punkt und wir haben beschlossen, hinaus zur Teufelsmauer bei Weddersleben zu fahren, um den besonderen Moment des abendlichen Sonnenuntergangs an dem besonderen Ort zu erleben. Diese Teufelsmauer nahe Weddersleben ist ein Ort voller Magie. Vieles deutet darauf hin, dass diese natürliche Felsformation in grauen Vorzeiten mystische Handlungen erlebte, die mit dem Sonnenlicht zu tun hatten, mit Tag und Nacht, mit dem Kreislauf von Leben und Tod. Die Vorstellung davon passt zu meiner augenblicklichen Grundstimmung und auch, dass sich genau in diesen Tagen die Planeten Jupiter und Saturn, von der Erde aus gesehen, ganz nah kommen. Der eine überholt den anderen und von hier sieht es dann so aus, als würden beide quasi zu einem Ganzen verschmelzen. Das war schon einmal vor zweitausend Jahren exakt so und deshalb ist uns dieses Ereignis als „Stern von Bethlehem“ überliefert. Für uns beide passt es, in diesen Stunden unserem Sonnenschein namens Lily und Kundi, dem Freund, zu gedenken. Beinahe zu Füßen der Felsformation plätschert die Bode, von Thale aus dem Harz kommend, weiter in die Ebene. Das Wasser fließt behäbig über ein Wehr, es glitzert im Schein der tiefer stehenden Sonne silbern zwischen den Steinen. Für einen Augenblick halten wir inne, um diesem Schauspiel zu erliegen. Wenig später stehen wir vor dem Hügel mit der Felsformation auf dem Kamm. Dort hinauf gelangt der Besucher über einen Stieg mit Holzstufen, wobei man für jede Stufe eine unterschiedliche Schrittlänge zu schreiten hat – anstrengend für jemanden „mit Hüfte“! Ich quäle mich trotzdem einige Minuten, um dort hinauf zu kommen, langsam und Schritt für Schritt, dem von der Sonne beleuchteten Gestein vor dem Blau des Himmels entgegen. Im Juli 2016 ging das noch viel besser und damals war auch Lily auf vier flinken Beinchen dabei. Da oben angekommen, fasziniert mich der erhabene Anblick der Felsformationen auch diesmal wieder. Wie ein gigantischer Kamm aus Gestein stehen sie aufgereiht, etwas schräg, so als hätte sie der Wind unmerklich in diese Stellung gedrückt. Die Südseite, auf der man entlang laufen kann, wird noch von der tiefer stehenden Sonne in warmes Licht getaucht, unsere Schatten wandern an der unteren Kante mit. Rechts von mir die Teufelsmauer, links fällt der Hang steil ab. Nur ein paar kahle Bäume säumen den Weg und durch das nackte Geäst dringt die Sonne vom Höhenzug des Harz herüber. Gegenüber blicken wir auf Thale und die Schlucht, aus der die Bode fließt. Es sind nur wenige Kilometer Luftlinie, die uns trennen. Da drüben nähert sich die Sonne genau dieser Stelle, in die sie in wenigen Minuten eintauchen wird. Doch bis dahin malt sie das Geschehen vor den Fels mit grellem Abendlicht und dort, wo sich große Lücken auftun, reicht ihr Schein hinunter bis Weddersleben und darüber hinaus in das Harzvorland. Von einer kleinen Plattform zwischen den Gesteinsformationen, zu der man über eine Treppe gelangt, ist heute ein herrlicher Blick über Quedlinburg hinaus möglich. Wir genießen diesen Moment und dennoch spüre ich den kalten Wind, der mich in der untergehenden Sonne frösteln lässt. Im goldenen Schein der letzten Sonnenstrahlen blicke ich vom „Königstein“, so wird die Felsformation genannt, auf der wir stehen, in Richtung der Mauer gen Westen zu den sogenannten „Mittelsteinen“. Dahinter verläuft die Teufelsmauer weiter bis nach Blankenburg mit dem „Hamburger Wappen“, einer weiteren besonderen Formation der rund zwanzig Kilometer langen Fels- und Gesteinmauer im Harz. Das alles zu erkunden, haben wir noch vor uns, fällt mir ein. Wieder denke ich daran, dass uns auf all den kommenden Wegen unsere Lily nur noch gedanklich begleiten wird und schon schleicht sich die Melancholie in meine Stimmung. Ich wende den Blick ab vom Zukünftigen und diesem besonderen Moment, den wir erleben wollen, zu.  Wieder zurück auf dem Grat, die Teufelsmauer im Rücken, schaue ich mit anderen Besuchern hinüber zum Harz, wo gerade die Sonne abtaucht. Stück für Stück verschwindet der glühende Ball hinter dem Höhenzug und plötzlich wird es frisch und das Gestein hinter uns steht kalt und grau. Mich fröstelt es und ich stelle mir vor, wie es den Menschen in früheren Jahrhunderten ergangen sein muss. Es fühlt sich an, als hätte jemand ein unsichtbares Tuch über die Landschaft gelegt, das alle Bewegungen zur Zeitlupe zwingt. Auf einen Schlag laufen nur noch wenige Menschen über den schmalen Weg, sind wie weggepustet. Ich sehe sie weiter unten, am Fuße der holprigen Stufen, in Richtung Parkplatz laufen. Wir verweilen noch einige Minuten hier oben, genießen die Stille und den Blick ringsum in die Ebene zwischen Teufelsmauer und Harz. Aus der Ferne ist Zuhause geworden. Es ist schön, jetzt hier leben zu können und spontan zu Ausflügen wie eben diesen aufbrechen zu dürfen. Ein Privileg, das wir vom südlichen Rand der Brandenburger Wälder nicht hätten wagen können. Nach einer reichlichen Stunde auf dem Grat des „Königstein“ der Teufelsmauer begeben auch wir uns auf die Treppe und abwärts. Unterwegs werde ich von einem Pärchen überholt, das sich über das bevorstehende Weihnachtsfest laut austauscht. „Das findet in diesem Jahr nicht statt“, rutscht es mir spontan heraus. „Aber doch im nächsten Jahr wieder, oder?“, fragt mich die Frauenstimme leise und ich: „Na, klar, nächstes Jahr dann wieder“, antworte ich ihr  und sie darauf: “Na wenn das der Weihnachtsmann sagt!” Wir lachen und dann mir fällt auf, dass ich mit meinem schulterlangen weißen Haar und dem ebensolchen frischen weißen Rauschebart wie das Ebenbild eines Weihnachtsmannes aussehen muss. Mit einem Grinsen im Gesicht bewältige ich die restlichen Stufen und posiere für die Kamera noch einmal im Wasser der Bode. Letztlich brauche ich den Beweis für spätere Generationen, dass der Weihnachtsmann zur Wintersonnenwende, unter dem „Stern von Bethlehem“ im Jahre 2020, am neunten Geburtstag seiner Enkeltochter und am ebensolchen Erscheinungsdatum seines Buches, an diesem Ort war. So darf es für spätere Generationen in den Geschichtsbüchern überliefert werden. Gesunde und friedliche Weihnachten Euch allen!