Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Blick von den Hahnenkleeklippen                                                                                       28.03.2022 Von der Teufelsmauer einmal abgesehen, gibt es im Harz noch viele weitere versteckte Felsengebilde zu entdecken. Die Rosstrappe über dem Bodetal ist sicher der bekannteste Felsen, den man besteigen kann. Doch es gibt noch andere skurrile Namen, hinter denen sich Geschichten verbergen. Ich selbst bin schon auf den Ottofelsen geklettert, habe die Jungfernklippe besucht, auf der Scharfsteinklippe gestanden und mich bis zum Anhaltinischen Saalstein in die Höhen geschwitzt. Jedes Mal blieben ein oder zwei Kilo auf der Strecke liegen, jedes Mal hatte ich am Tag danach gepflegten Muskelkater und zwischendurch für einige Stunden wundervolle Aussichten zu bestaunen. Immer wieder führten mich verschlungene Trampelpfade und steinige Wege durch wilde und unberührte Gebiete im Nationalpark. Nach solchen Abenteuern in der Natur kann man schon süchtig werden und deshalb heißt das heutige Ziel Hahnenkleeklippen, nahe Braunlage im Oberharz. Die Reise führt am frühen Vormittag bis Bad Harzburg, wo ich einen Termin wahrnehmen muss. Da dies ohnehin fast der halbe Weg bis in den Nationalpark Oberharz ist, fällt mir die Entscheidung leicht, weiter bis zum Königskrug, vorbei an Torfhaus, zu fahren. Oben angekommen, strahlt die Sonne vom azurblauen Himmel. Ende März fühlt es sich auf dem Parkplatz wie Frühling an. Klare Sicht bis hinüber zum Brocken und zum Wurmberg. Auf der anderen Straßenseite beginnt der Wanderweg in Richtung Hahnenkleeklippen. Gleich neben einem einzelnen Haus am Straßenrand begann noch vor wenigen Jahren dichter grüner Wald. Als wir das erste Mal hier oben vorüber fuhren, stand er noch. Heute laufen wir links und rechts an unzähligen Baumstümpfen entlang. Diese Flächen sind inzwischen beräumt, doch Borkenkäfer und Stürme haben ganze Arbeit geleistet. Auf mich wirkt das tote Grau unwirklich, unrealistisch und falsch. Die abgeholzten Flächen passen einfach nicht hierher, nicht in den Harz, denke ich. Eigentlich müssten hier meterhohe Nadelbäume stehen, dicht an dicht und Schatten spendend, flüstern die Erinnerungen. Stattdessen ist alles ringsum kahl, die Sonne brennt mir auf die Platte und weil ein leichter Wind weht, spüre ich es nicht. Dem Weg folgend, bestaune ich letzte weiße Schneereste, die zwischen Moos, Gras und Baumstümpfen in der Frühlingssonne langsam dahin schmelzen. Durch toten Wald zu laufen, aus dem links und rechts abgestorbene kahle Fichtenstämme in das Blau über mir ragen, fühlt sich irgendwie wie ein Endzeitszenario, wie die Apokalypse an. Viele Baumreste erscheinen mir wie Fabelwesen aus mystischen Sagen: die knorrigen Arme, verbogene Nasen und mit Fingern, die jeden Moment zugreifen könnten. Eine skurrile Inszenierung der Natur, an der Menschen nicht unschuldig sind. Man könnte meinen, dass einer von denen sich gleich erhebt und auf den Weg tritt. Im Dunkeln möchte ich hier nicht laufen, doch zum Glück brennt der Planet mit ganzer Kraft und über uns malen wieder Flieger weiße Kondensstreifen auf das blaue Himmelsdach. Wir laufen weiter. An einer Weggabelung lädt eine robuste Bank zum Verweilen ein. Man muss allerdings über harschen Schnee stolpern und aufgeweichten Boden betreten, möchte man dorthin gelangen. Nur ein Foto zur Erinnerung, mehr ist nicht drin. Wir folgen dem Weg noch einige hundert Meter. Überall ein ähnlicher Anblick: totes Holz am Rand und kahle Bäume, die wie ein Wald aus riesigen Streichhölzern anmuten. Doch dann steht ein kleines Häuschen versteckt am Waldesrand. Die Stempelstelle Nr. 75 ist erreicht. Von hier bis zum Ausblick von den Hahnenkleeklippen sind es noch vierhundert Meter, steht auf dem Wegweiser geschrieben. Nach der Hälfte dieser Strecke führt rechts ein Stolperweg auf die Anhöhe, hinter der die Klippen zu finden sein sollen. Jetzt stolpern wir über Steine, laufen auf durchnässten Grasballen und an Pfützen aus getautem Schnee vorbei. In einer kleinen Mulde sammelt sich Schmelzwasser und Schmetterlinge sonnen sich am warmen Boden. Auch hier liegen überall zersägte Bäume und ein kahler Wald reckt seine toten Stämme gen Himmel. Letzte Flecken Schnee haben sich irgendwie dazwischen platziert. Sie werden wohl nicht mehr lange durchhalten, denke ich, und endlich ist am Ende des Steinweges das Ziel zu erkennen – die Hahnenkleeklippen sind erreicht. Ich stehe auf einem kleinen Plateau, das von Gehölzen eingerahmt ist. Vorn an der Kante schützt ein robust gezimmertes Holzgeländer vor dem nächsten unbedachten Schritt. Dahinter bricht der Felsen urplötzlich steil in die Tiefe ab. Gegenüber schaue ich auf die Hänge des Rehberges. Hier steht man exakt 758 Meter über dem Meeresspiegel und mindestens 150 Meter über dem Odertal zwischen den Orten Braunlage und St. Andreasberg – und ja - im Harz fließt auch eine Oder. Die Hahnenkleeklippen erstrecken sich als etwa 700 Meter lange Felswand am Tal entlang und ich stehe auf deren höchsten und markantesten Punkt, denke ich zumindest. Es ist einfach gigantisch anzusehen und es haut mich wirklich um. Einer der schönsten Blicke auf den Harz, die Berge und Täler in das südliche Harzvorland. Es dauert einige Minuten, ehe ich diese atemberaubende Aussicht aus allen möglichen Perspektiven in jeder nur denkbaren Position inhaliert und bewundert habe. Es ist einfach großartig anzuschauen, die fast unendliche Erhabenheit der (geschändeten) Natur zu genießen. Wenn ich auf die großen Flächen mit abgestorbenem Holz schaue, hoffe ich sehr, dass es gelingen möge, in naher Zukunft wieder jede Menge Grün anzupflanzen. Ich hoffe auch, die Natur im Nationalpark Harz möge die Kraft finden, sich selbst zu regenerieren. Ungeachtet dessen ist diese Aussichtsplattform ein wunderschöner Platz, um die Felsklippen und das unten liegende Tal in aller Ruhe zu betrachten. Ich stehe auf felsigem Grund, hinter mir der Rest vom Wald und vor mir ein breiter und verdammt tiefer Abgrund. Ein wenig mulmig ist mir beim Blick in die Tiefe und auf die benachbarten Felsformationen schon. Ich muss erst einmal diese Eindrücke sacken lassen. An einer grob gezimmerten Sitzgarnituer, Marke Nationalpark, lege ich den Wanderstab ab und lasse meine  Seele ein paar Minuten baumeln. Mir fällt (wieder einmal) Goethe ein: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück.“ Passt irgendwie, denke ich und lenke meine Schritte noch einmal, um im Tal dieses Hoffnungsglück zu entdecken und die letzten Schneereste in der Sonne glitzern zu sehen. Es fällt mir schwer, mich vom Zauber und der Magie dieses Flecken loszureißen. Auf dem Weg hierher ist uns kein Mensch begegnet und auf der Aussicht von der Hahnenkleeklippe sind wir auch allein. Kein Wunder, es ist Montag und außerdem Mittagszeit. Welcher Tourist sollte sich also bis hierher verirren? Ich genieße dieses Privileg, zum Einheimischen mutiert zu sein und die Zeit zu haben, abgelegene Plätze wie diesen aufsuchen zu können, wann immer mir danach ist. Frische Luft und Bewegung in der Natur machen Appetit. Wir machen uns allmählich auf den Rückweg zum Parkplatz vom „Königskrug“. Ohne Eile und die vielen Details noch einmal betrachtend, laufen wir die ganze Strecke wieder zurück. Diesmal die Sonne im Rücken, den Brocken und den Wurmberg im Blick sowie eine Tasse Kaffee im Hinterkopf. Eine halbe Stunde später sitze ich im rustikalen Ambiente einer urigen Kneipe, wie man sie nur noch selten findet. Für die Dame bringt der freundliche Wirt die Spezialität des Hauses, einen Riesenwindbeutel. Mir genügen Bockwurst mit Kartoffelsalat sowie eine Aussicht auf die Straße mit jener Natur dahinter, aus der wir gerade kamen. Hier sitzt man gemütlich, ganz ohne Hektik, denn die Saison hat noch nicht begonnen. Dann wird es hier sicher rappelvoll sein. Für den Rückweg fahren wir über den Harz: Braunlage, Elend, Königshütte, Elbingerode, Rübeland, Hüttenrode und Blankenburg. Diese Strecke ist kurvenreich, sie führt mancherorts noch durch dichten Wald sowie über Hügel und durch Täler, vorbei an Wiesen und Seen. Es macht Vergnügen, auf diesen Straßen über die Berge zu fahren. Hinter Elbingerode entdecken wir zufällig einen Stempelkasten am Schausägewerk Ehrt, einem ehemaligen Dampfsägewerk. Rechts ran fahren, wenden und am Eingang parken. Minuten später befindet sich ein weiterer Sonderstempel im Wanderheft. Ein wenig kaputt, aber glücklich, düsen wir bald wieder an der Burgruine Regenstein vorüber nach Halberstadt. Wären wir in Elsterwerda geblieben, hätte es diese Tour nicht gegeben und viele andere auch nicht. Ich bin jetzt ein glücklicher Harzer!