Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
ELECTRA live bei ROCK-MIX in Elsterwerda                                                         30.11.1977 ELEKTRA ist in der griechischen Mythologie die Tochter des Königs von Mykene. Zeitensprünge später hatte sie es bis zu einem Opern-Libretto unter gleichem Namen, dank Richard Strauss, gebracht. Ganz so lang und aufregend ist die 40-jährige Geschichte der Dresdner Rockband ELECTRA allerdings nicht. Klassisches hat sie dennoch geschaffen, wenn auch kein Libretto darunter ist. Dafür aber eine Rock-Suite für eine Madonna. In unserer temporeichen Zeit und im Rock’n’Roll-Zirkus sind 40 Jahre eine respektable Leistung, Zumal sich die Jahre über zwei sehr unterschiedliche gesellschaftliche Epochen in verschiedene Staatsformen erstrecken. Die Electra-Combo fiel mir erstmals bei DT64 in der Sendung Beat-Kiste auf. Frank Schöbel spielte dort ihr „Wie sich Mühlen dreh’n im Wind“ (Windmills Of Your Mind) sowie „Sie liebten sich beide“, zwei balladeske Stücke mit Überlänge und ausgedehnten Improvisationsteilen. Das muss 1970 gewesen sein. Es war neben der kristallklaren Stimme von Schlagzeuger Peter Ludewig vor allem die Art der Umsetzung, die mich damals schon faszinierte. Die beruhte auf Arrangements ihres damaligen Keyboarders Karl-Heinz Ringel. Beim Hören solcher Stücke wuchs in mir der Wunsch, auch mal selbst ein Konzert mit den Dresdnern zu organisieren. Die Electra-Combo um Bernd „Putz“ Aust, Wolfgang „Kuddel“ Riedel und Peter „Mampe“  Ludewig hatte ich vorher  schon live beim Jugendtanz (!) erlebt. Tolle Musikerkollegen, wie etwa Peter „Keule“ Sandkaulen,  „Ha-Pe“ Dohanetz oder Stephan Trepte, waren inzwischen nicht mehr dabei. Dafür komplettierten Gisbert Koreng und Rainer Uebel die Dresdner Band. Als die Band dann endlich an diesem tristen Novemberabend für ROCK-MIX 2 in Elsterwerda auf der Bühne stand, waren die beiden erwähnten Frühklassiker der Anfangszeit schon nicht mehr im Konzertprogramm und den Weg auf die erste LP der Band hatten sie auch nicht gefunden. Jedoch war die zweite Scheibe mit dem Titel „Adaptionen“ gerade bei AMIGA erschienen. Es war auch international die Zeit des aufkommenden Progressiv-Rock und damit der Adaptionen. Electra bearbeitete für die „Adaptionen“ Kompositonen von u.a. Chatschaturjan, Borodin, Mozart und Bach, um sie in eigener und unverwechselbaren Spielweise mittels Querflöte auf die Live-Bühnen zu bringen. Immer wenn ich Electra live erlebe, entstehen Bilder in meinem Kopf. So auch beim Konzert 1977 im Gesellschaftshaus Elsterwerda. Bei Griegs Bearbeitung von „In der Halle des Bergkönigs“, wo sich Flöte, Orgel und Gitarre die Einwürfe wie ein Echo nach dem anderen zuwerfen, konnte man den Eindruck gewinnen, dass man sich in eine große Halle versetzt fühlt, in der sich die Instrumente, wie bei einem Echo, die Einsätze zuspielten. Electra ist bei vielen Fans in jenen Tagen die Band mit der Querflöte und damit irgendwie ganz natürlich das Pendant zu Jethro Tull. Kein Wunder also, dass wir an diesem Abend u.a. auch Teile von „Thick As A Brick“ zu hören bekommen, zumal Gisberts Gesangsstimme der von Ian Anderson nicht ganz unähnlich klingt. Eins der komischen Glanzlichter jenes Konzertes kam, als „Mampe“ mit einer Teetasse an das Mikro tritt und dort klirrender und schlürfender Weise das Intro von Tull’s „Skating Away On The Thin Ice Of The New Day“ zelebrierte, so wie man es auch von der LP „Warchild“ kennt. Für mich persönlich eine der Glanznummern bei Electra damals, so wie das legendäre „Bouree“ natürlich. Bei dieser Bach-Nummer im Stile von Ian Anderson kann Bernd Aust sein bewundernswertes Können an der Querflöte und sein Musikantentum unter Beweis stellen. Da konnte man schon ins Staunen kommen, welche Töne mit so einem filigranen Instrument erzeugt werden können. Auch schon Ewigkeiten im Konzertprogramm ist „Mampe’s“ Eigenkomposition „Das kommt, weil eine Seele brennt“. Besser kann man sich selbst keinen Song auf den Leib bzw. auf die eigene Stimme schreiben. Zudem fasziniert der einmalige und perfekte Satzgesang von Electra, der solche Liedperlen erst im richtigen Glanz erstrahlen lässt. Ein weiterer Höhepunkt war Ludewig’s Drum-Solo, das schon damals in einer furiosen Show und als Parodie(?) auf die Gebetsaufrufe von den luftigen Höhen Arabischer Minarette endete. Jahre später hat „Mampe“ auch sein Solo- Programm auf diese Weise ausgestaltet und noch heute bekommt man live davon Fragmente zu sehen und zu hören. Natürlich hat er auch schon in jenen Jahren den „Grünen Esel“ gemacht, nur die Verkleidung ist inzwischen eine andere geworden. Es gab und gibt nicht viele Bassisten und Gitarristen, die ihrem Instrument virtuose Töne mittels eines Geigenbogens entlocken konnten (und können). Neben Jimmy Page (Led Zeppelin) oder Eddie Philips (Creation) beherrscht auch „Kuddel“ Riedel diese Kunst und bewies dies mit einer eindrucksvollen Solo-Vorstellung, die auch ihre optische Reize hatte. Der Mann mit den weiten Flügelärmeln seines weißen Umhangs sah aus wie ein Rick Wakeman an der Bassgitarre aus. Neben dem Solo von „Mampe“ und den Flöteneinlagen von Bernd Aust, einer der vielen Höhepunkte eines Electra-Konzerts. Klar, kein Konzert geht ohne den „Dom“ über die Bühne, auch wenn Stephan Trepte zu jener Zeit schon mit Reform unterwegs war. Die orchestralen Orgelklänge und die einmaligen Satzgesänge gingen auch ohne ihn, wenngleich Gisbert Koreng nicht ganz so charismatisch wie Trepte diese Hymne ausfüllen konnte. Live war die Nummer schon damals der absolute Höhepunkt des Konzerts. Dieses einmalige Musikstück musste allerdings noch eine ganze Weile auf seine Vinyl-Premiere, erst auf der LP „ELECTRA 3“ (1980) warten. Solch  engstirnige Entscheidungen sind aus heutiger Sicht nur noch mit dumm zu umschreiben. Spätestens mit dem „Dom“ war der Mythos von Electra geboren und die Sichtweise auf ein kirchliches Bauwerk eine intensivere. Das hattet ihr nun davon!  Inzwischen ist das selbst erlebte mehrere Jahrzahnte her. Die Band feiert in diesen Tagen ihr 40jähriges Bestehen und Bernd Aust hat inzwischen mit Ian Anderson sicher mehr als nur ein Mal die Flötentöne freundschaftlich ausgetauscht. Die Musik von Electra hat, wie die einiger anderer dieses Jahrgangs und dieses Landes auch, gut zwei Drittel meines eigenen Lebensweges begleitet. Das begreift man erst im Rückblick und rückblickend kann man auch den Wert des selbst Erlebten erst richtig schätzen. Ich war nämlich immer, wenn auch unauffällig, dabei, von den knorrigen „Weiden am Ufer“, über den „Aufrechten Gang“ zu gewendeten Zeiten, bis hin zum Dreigestirn der großen Sachsenbands. Es ist ein schönes Gefühl, das nebenbei auch ein wenig stolz macht. An dieses besondere Konzerterlebnis 1977 auf „eigener“ Bühne aber denke ich immer wieder dankbar zurück.