Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Zwischen Wilhelmsblick und Sonnenklippe
28.07.2022
Treseburg ist ein beschauliches kleines Harznest am Bodebogen. Hier mündet die kleine Luppbode in die Bode und vom
Weißen Hirsch, hoch oben, kann man sich diesen Ort en miniature anschauen. Das haben wir bereits getan und auch
dem Lauf der Bode sind wir schon, damals noch mit Lily, ein kleines Stück durch das schöne Tal gefolgt (
HIER
). Das
haben wir heute noch einmal vor, doch zuvor wollen wir noch diesen Teil des Bodetals von oben betrachten. Den
bestaunt man am besten vom Wilhelmsblick, einer besonderen Aussichtsplattform kurz vor Treseburg, von Cattenstedt
und Wienrode kommend.
Die schmale Landstraße schlängelt sich durch den Wald und danach in engen Kurven, zwischen Felsen und Abhang,
oben am Bodetal entlang. Bei Gegenverkehr nichts für ungeübte Fahrer, denn man fährt, haarscharf an Felsvorsprüngen
vorbei, straff bergab. Passt man nicht auf, übersieht man den winzigen Platz für das Gefährt und den Zugang zum
Aufstieg erst recht. Der besteht nämlich aus einem langen Loch durch die Felswand hindurch. Es dauert nur einen
Moment, dann fährt man vorbei. Keine Chance anzuhalten!
Es ist früher Nachmittag und die Sonne steht senkrecht über dem Harz. Auf der Straße ist es schwül, im Tunnel zur
anderen Seite kommt mir ein kühler Hauch entgegen. Es könnte mich gruseln, aber es tut sich nichts. Nach 22 Metern
gebückt durch die Felsenröhre laufen, erreicht man auf der anderen Seite ein schattiges Plätzchen, mit Hütte und
rustikaler Sitzgruppe, unter einem Laubdach. Am Felsen führen noch etliche Stufen ziemlich steil hinauf zum Kamm auf
314 Meter, den Wilhelmsblick, benannt nach dem Baumeister der Straße durch das Bodetal. Früher hieß dieser Ort
Krügers Höhe – nicht die geringste Ahnung, warum. Aber es ist verdammt schön, luftig und auch ein wenig krügerisch.
Zuerst fällt mir auf, wie schmal dieser Kamm ist. Links und rechts blickt man tief nach unten und ein merkwürdiges
Kribbeln stellt sich im Bauch ein. Zu beiden Seiten – dies ist der Bodebogen – kann man auf die Bodearme sehen, die
hier nur 150 Meter Luftlinie voneinander entfernt, gemächlich fließend in der Sonne glitzern. Direkt unter dem
Felsenkamm, der mit Metallgittern gesichert ist, sehe ich auf die Straße und dort unser Gefährt stehen. Das wirklich
grandiose aber ist der Blick in das Tal des Flusses und die dicht bewaldeten Hänge. Atemberaubend schön. Wäre ich
kein Handy-Muffel, würde ich jetzt ein Selfie machen. Eine kleine Bank direkt am Felsgrat lädt zum Sitzen und Staunen
ein, Bauchkribbeln inklusive, denn dieser kleine Vorsprung ist nicht viel breiter, als die Bank lang ist. Da drüben, auf der
gegenüber liegenden Seite vom Tal, wollen wir heute noch ein Stück gehen. Später, wenn im Herbst tausend
verschiedene Farben diese Harzlandschaft in ein Farbenmeer tauchen werden, möchten wir diese ganze Strecke, von
Treseburg nach Thale, wandernd an der Bode entlang bewältigen. Noch ein paar Minuten genieße ich diesen
einzigartigen Blick, dann steige ich wieder ab und „krieche“ durch den Tunnel. Im Wanderheft gibt es jetzt einen neuen
Stempelabdruck.
Zwei Minuten später umfahren wir den Kreisel in Treseburg und stellen den Straßenhobel ordentlich ab. Eine Brücke
führt über die Luppbode, dann gehen wir auf dem Wanderweg entlang des Bodeufers. Meine Gedanken sind für
Momente bei Lily, als wir diesen Weg, im Spätherbst 2017, noch gemeinsam gingen. In solchen Momenten spüre ich,
wie schön die Zeit mit unserer Hundelady war und dass sie immer noch irgendwie fehlt.
Neben uns rauscht das Wasser, rechts steigt der Hang an und immer wieder trifft man Wanderer, die aus der
Gegenrichtung kommen. Ein älteres Paar aus den Niederlanden wird uns später erzählen, dass sie von Thale nach
Treseburg wanderten und nun, nachmittags, den gleichen Weg wieder zurück zum Ausgangspunkt gehen. Ganz
entspannt und guter Laune. Respekt ihr Zwei, denn das sind mal locker zwanzig Kilometer auf teils holprigen Pfaden!
Unser heutiges Ziel haben wir soeben erreicht. Auf einer kleinen Anhöhe ragt ein unscheinbarer felsiger Huckel mit
einem knorrigen Baumstumpf über das Tal und lädt zur Rast ein: es ist die Sonnenklippe mit dem Stempel Nummer 69
der Harzer Wandernadel. Spätestens hier beginnt der urwüchsige Pfad entlang der Bode auf dem Harzer Hexenstieg.
Die kleine Klippe ist wieder gut für ein Selfie geeignet. Auf ihr, zwischen all den knorrigen Baumresten stehend, lassen
sich beeindruckende Erinnerungsfotos schießen. Kaum ein Wanderer lässt sich die Gelegenheit entgehen.
Der Weg zurück fühlt sich kurz an. An einer gut geeigneten Stelle krabbeln wir hinunter ans Ufer der Bode. Auf einer
kleinen Sandbank treffen wir jenes Paar aus den Niederlanden. Wir plaudern, tauchen die Füße ins kalte Wasser und
sammeln kleine Steine. Vor unseren Augen plätschert der Fluss träge in das enge Tal hinein. An solchen Stellen könnte
man ohne Ende Zeit verplempern, diese Stille und das Rauschen inhalieren, sich an der Natur erfreuen. Man vergisst
Sorgen, Ängste und all die grassierende Dummheit da draußen. Allein die Natur ruht in sich und nimmt jeden mit, der
sich einlässt.
Wieder in Treseburg erwartet uns der Zwerg am Cafè „Rübezahl“. In Gesellschaft des kleinen Kumpels sowie einiger
Wespen klingt der Nachmittag aus. Jetzt freue ich mich darauf, das ganze Tal per pedes zu erobern.