Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Inselurlaub auf Poel
4. Badestrand & Timmendorf mit Lily
14.05.2019
Morgens werden wir vom Krähen eines Hahns geweckt. Kein Wecker klingelt, kein Straßenlärm, dafür ein
Prachtexemplar von einem stolzen Hahn im Garten des Nachbarn. Die Natur hat das Federvieh mit einem vor Farben
nur so sprühendem prächtigen Federkleid ausgestattet. Als ich ihn etwas später aus der Nähe bestaune, plustert er sich
extra für mich richtig auf und zeigt mir, wie Hähne krähen sollten. „Kikerikie!“, schallt es laut über die Bucht. Der Garten
grenzt an die Straße und auf der anderen Seite beginnen die Wiesen, eine geschützte Landschaft bis zum Breitling, dem
Brackwasser. Auf den Wiesen haben die Kühe freien Auslauf und dazwischen genießen Wildenten ein Sonnenbad. Noch
weiter weg, auf einer kleinen Insel, tummeln sich Pferde und Schafen haben freien Auslauf. Jeden Morgen hat hier auch
ein Hund des Nachbarn Ausgang und der absolviert seinen regelmäßigen Inspektionsgang. Alles strahlt Ruhe und
Gelassenheit aus und mittendrin sitze ich mit einem Kaffee, schaue dem Geschehen zu, lasse die Gedanken fliegen.
Mich stören weder die Hektik einer Stadt, noch hunderte Touristen, die aus großen Hotelanlagen strömen könnten.
Diese gibt es hier nämlich nicht. Ich habe das Gefühl, auf Poel geht alles ohnehin etwas entspannter und gemächlicher
zu. Hier kann Lily umherlaufen, sie kann bellen und sich über alles, was sie nicht mehr richtig sieht, aufregen. Sie kann
hier ganz und gar Hund sein, ohne jemandem erklären zu müssen, warum sie dieses Kommando nicht befolgt und das
andere nicht versteht. Lily ist voller Begeisterung Hund, kein Zirkustier!
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Gleich hinter Kirchdorf, dem kommunalen Zentrum der Insel, streckt sich mit immerhin 27 Metern die höchste Erhebung
von Poel gen Himmel. Hier „oben“, zwischen den Rapsfeldern, kann der Wanderer einen beinahe Rundblick genießen. Er
kann aber auch durch Neuhof laufen und bald einen einsamen, fast menschenleeren Streifen Strand finden. Heute
jedenfalls sind wir, neben einem Kite-Surfer sowie einer Familie die einzigen Leute, die sich hierher verlaufen haben.
Weil es ein schöner Tag ist und ich besonders mutig bin, steige ich in die (eis)kalten Fluten der See, in denen ich noch
den letzten Winter nachfühlen kann. Das Wasser ist flach, auch noch nach vielen Schritten, und verdammt (klein)kalt
auch. Trotzdem muss der ganze Körper eintauchen. Ich spüre weder einen Schock, noch schrumpft mir schockartig die
Haut. Es ist einfach nur „angenehm“ kalt und ich spüre ein wohliges Gefühl von salzigem Seewasser. Jedenfalls für
einige Augenblicke. Danach sind Mut und Tatendrang geschrumpft und ich steige wieder aus den eisigen Fluten, so wie
Siegfried aus seinem Bad. Jetzt bin ich, jedenfalls bis zu meinen Klamotten an den Dünen, ein „Held“ und Lily wieder
glücklich, mich im kleinen Rudel zu haben.
Inzwischen hat auch der Kite-Surfer seinen Drachen entfaltet, ist im Wasser auf sein Brett gestiegen und lässt sich vom
Drachen, hoch oben in der Luft, am Strand entlang durch die Wellen ziehen. Was für ein fantastischer Anblick und alles
ganz aus der Nähe. Dagegen ist unser Drachen, der ebenfalls am Himmel tanzt, ein richtiger Winzling. Ein Erlebnis sind
sie beide dennoch und wer rechnet schon damit, im Mai einem Kite-Surfer am einsamen Strand zu begegnen? Den
größten Respekt aber ringt mir unsere betagte Hundelady ab, die, ob sie will oder nicht, alle unsere Aktionen
mitmachen muss. Ihre vier kleinen Beinchen tippeln uns ständig hinterher oder zwischen uns hin und her, so dass sie
auf diese Weise mindestens die doppelte Wegstrecke zurücklegt. Vieles davon im weichen Sand vor und hinter den
Dünen. Das ist schon für meine Knochen anstrengend, wie erst muss sich Lily abends fühlen? Dann liegt sie oft neben
mir auf dem Sofa und träumt bestimmt von Tagen, die etwas ruhiger verlaufen. Wenn sie dann wieder zu Hause ist,
vielleicht auch von Wind, Wellen und ganz viel Strand. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Was mir in diesen Minuten, da ich hinaus auf die See blicke, wo irgendwo die Insel Fehmarn zu finden sein muss, auch
einfällt, sind die Namen zweier Musiker. Von diesem Strand sind einst im Jahre 1975 Eberhard Klunker und Olaf
Wegener, zwei Musiker von der Hansi Biebl Band, mit einem Schlauchboot in Richtung Westen abgehauen. Dass sie es
geschafft haben, kommt mir angesichts der Dimensionen bis zum Horizont wie im Märchen vor und dennoch war es so.
Für mich aus vielerlei Gründen nahezu unfassbar, aber eben auch ein Teil der Geschichte dieser Insel!
Auf Poel gibt es viele richtig kleine Orte, die meist nur aus einigen wenigen Gehöften bestehen. Die Landwirtschaft ist,
natürlich neben dem Tourismusgeschäft, der Haupterwerbszweig, wenn man nicht zur Arbeit nach Wismar fährt. Einer
dieser Orte jedoch scheint sich vollständig auf den Tourismus eingestellt zu haben. Timmendorf liegt also auf Poel und
der gleichnamige Bade-Ort am westlichen Strand der Ostsee, ist sicher nur die Kopie der Siedlung auf Poel. Timmendorf
Strand strahlt ebenfalls den „Charme“ betagter Senioren-Residenzen aus, ist jedoch viel beschaulicher und irgendwie
noch familiärer, allerdings mit mondäner Grundhaltung. Schon auf der Hauptstraße, die gar keine ist, reiht sich ein
Ferienhaus an das andere, ein Vorgarten versucht schöner, vielfältiger und farbenprächtiger zu sein, als der nächste.
Eine modern gestaltete Feriensiedlungen sowie Stellplätze für Wohnmobile umschließen den Ortskern, der nur aus
einigen wenigen Originalhäusern besteht, in denen vielleicht noch drei oder vier einheimische Familien wohnen, klärt
uns der Vermieter unseres Bungalows auf.
Am Ende aller Straßen findet man sich im kleinen Yachthafen wieder. Hier liegt auch das Fährschiff hinüber nach
Boltenhagen am Pier und als wird ankommen, legt es gerade ab, um durch die enge Fahrrinne in Richtung der
Steilküste auf der anderen Seite zu schippern. Vom langen Bootssteg aus, der sich entlang der Mole streckt, kann man
das Hafengelände gut überblicken und hinaus auf die offene See schauen. Wir leisten uns ein reichliches Stück Lachs,
diesmal ohne Brötchen, und lassen uns den Leckerbissen zu dritt, etwas abseits vom Hafentrubel, schmecken. Eine
Delikatesse und eine köstliche Alternative zur warmen Mittagsmahlzeit a la deutscher Küche, auf die wir schon seit
Tagen verzichten. Fisch statt Schnitzel heißt das tägliche Motto des Inselurlaubers.
Drei Tage sind wir nun auf Poel, genießen den Inselurlaub, die See und ein wenig auch das fern sein vom „normalen“
Alltag. In dieser kurzen Zeit sehe ich plötzlich wieder Dinge, die von der modernen Digitalgesellschaft längst
aufgefressen oder verschüttet sind: Auf der Weide die Kuh, die ihr Kälbchen säugt. Schwalben in der Luft und beim Bad
in der Pfütze. Einsame Möwen am Strand und Wildenten im hohen Gras. Ich stehe auf dem Feldweg zwischen
quittegelben Rapsfeldern oder laufe auf einer Sand-Allee zwischen alten knorrigen Weidestämmen ins Nirgends.
Ringsum nichts als Natur und völlig anders geartete, als im Harz. Und doch ist auch hier, wie im Harz, zu spüren, dass
alles zerbrechlich und nicht für die Ewigkeit gemacht ist. Doch wir Menschen, uns voran die „Leader“ und „gewählten
Repräsentanten“, die über ihre Grabenkämpfe das Wohl ALLER Menschen und den Erhalt der Natur schon längst dem
Streben nach „Wachstum“ geopfert haben, wir alle tun so, als wäre dieser Planet einfach nur ein Spielplatz, auf dem
man sich ungestraft und ohne Verstand ausprobieren kann. Ich hasse es, wie sie sich in endlosen Diskussionen ergehen
und hinten herum einfach weitermachen. Von schwarz, über rot, bis grün und blau. An braun will ich gar nicht erst
Gedanken verschwenden. Es erscheint mir viel zu oft scheinheilig und widerlich sowieso. Nur manchmal, wenn wieder
einmal eine „demokratische“ Wahl auf dem Terminplan ansteht, sieht man plötzlich die Interessenvertreter beim
Anbringen ihrer Wahlwerbeplakate und in der Nähe, nicht mittendrin beim Volk. Auch hier auf Poel und direkt neben
dem Bungalow hängt jetzt so ein Werbe-Dingsda und schon hat sie mich wieder, diese Realität, angeblich „ohne
Alternativen“. Als ob ein Wahlplakat mal eben so nebenbei meine Meinung ändern könnte. Da müssen schon Taten her,
die man spüren und erleben kann, denke ich mir und nicke dem Bullen zu, der mich von der anderen Straßenseite,
hinter dem Stacheldrahtzaun, anblickt und mir zurück nickt. Der ist wenigstens echt, ehrlich und außerdem genießbar.
Fortsetzung folgt im Teil 5:
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