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Brocken-Test mit Lily & Ursel                                                                                                    03.08.2015 Viele Wege führen nach Rom, sagt man, und viele Wege führen hinauf zum Brocken. Das sagt man hier. Sie sind steinig, steil und weniger steil. Sie führen über das Hochplateau und durch den schönen Nationalpark. Man kann die Wege meiden und mit der Brockenbahn sein Ziel erreichen. Das habe ich schon einmal gemacht und es war ein Erlebnis. Man kann aber auch den Brocken zu Fuß erwandern. Das habe ich noch vor mir, weil ich es mir vorgenommen habe. Doch weil ich der Sportlichsten einer nicht bin, steht vor dem Ernstfall zunächst einmal das Ausprobieren. Ein Test sozusagen, ob denn ein Ungeübter wie ich, aus der Idee schöne Realität machen könnte. Wenn man im Herbst seines Lebens entschieden hat, in Sichtweite zum Brocken zu leben, sollte man ihn wenigstens ein Mal auch selbst bestiegen, sprich erwandert haben. Der kleine Brocken-Test sollte in Schierke beginnen, hatte ich mir vorgestellt. Heute ist Montag und die Sonne scheint angenehm auf das Land. Gegen Mittag fällt die Entscheidung, heute den Aufstieg zum Brocken ausfindig zu machen und ihn, wenn es die Laune denn hergibt, auch zu testen. Mit der Schüttel, übrigens ein alter Fiat Dublo, bewältigen wir die knapp 40 Kilometer hoch nach Schierke locker in einer Stunde. Der kleine Wintersport- und Kurort liegt sozusagen zu Füßen des Brocken auf reichlich 630 Meter Höhe. Durch den idyllisch gelegenen Ort fließt die Kalte Bode. Bisher kannte ich Schierke nur von der Landkarte und aus den Erzählungen einer Tante, die in Wernigerode aufgewachsen ist. Heute will ich endlich selbst sehen, wie es dort aussieht und welcher Weg wohl für die Bewältigung der restlichen 500 Höhenmeter geeignet sei, denn es gibt mehrere Möglichkeiten, auf den Brocken zu wandern. Man solle den großen Parkplatz am Ortseingang benutzen oder das neue Parkhaus. So steht es in den Broschüren geschrieben. Als ehemaliger Außendienstler weiß man, es geht meistens auch anders. Wir folgen der neuen Hauptstraße, die am Ortsrand und neuen Parkhaus vorbei, bis zum beinahe letzten Haus am anderen Ende führt. Dort, an der Jugendherberge, macht sie einen Bogen und führt direkt in die Ortsmitte, vorbei an Pensionen, Hotels und Gaststätten. Gegenüber vom Kurpark verstecken sich gleich zwei Parkmöglichkeiten, wie für die Schüttel und einen Außendienstler geschaffen. Es ist Zeit für einen Kaffee und das „Cafe am Kurpark“ sieht auch wirklich verlockend aus. Doch wir nehmen die Lily an die Leine, schultern den Rucksack und lassen uns in der Tourist-Information erklären, dass es ratsam wäre, den Aufstieg über den Neuen Weg, direkt vor dem Friedhof, zu beginnen. Über die alte Bobbahn bis zur Überquerung der Schienen für die Harzbahn. Das sollte zu schaffen sein. Als Rückweg könnten wir den Bahnparallelweg bis zum Bahnhof Schierke wählen und von dort wieder in den Ort gelangen. Dass meine Füße diesen Weg wirklich schaffen würden, habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Schon nach den ersten Schritten sind die Zweifel da. War der Pfarrstieg gemeint, der steil hinauf in den Wald führt, oder doch der Neue Weg am Waldrand entlang. Nach einigem Hin und Her fällt dann die Entscheidung für den Waldrand mit ständigem Blick, über die Dächer von Schierke hinweg, rüber zum Kleinen und Großen Winterberg. Das ist stimmungsvoll und (noch) nicht so anstrengend. Auch die kleine Hundelady tippelt fröhlich neben uns her. Ich stelle fest, das Wandern macht Spaß. Zehn Minuten später biegt der Weg nach rechts in den Wald ab. Von nun an geht’s aufwärts. Nicht steil, aber nahe dran. Es dauert nicht lange und mir perlt der Schweiß von der Stirn und Lily lässt die Zunge raushängen. Sie tippelt tapfer zwischen Herrchen und Frauchen über Wurzeln und Steine. An einem Rinnsal nimmt sie die erste Erfrischung zu sich und ich stelle mir ein kühles Bierchen mit einer Schaumkrone vor. Der Blick aber ist nach oben gerichtet, wo uns irgendwo in der Höhe die Gleise der Harzer Schmalspurbahn locken. Dann stehen wir vor einem Schild: Alte Bobbahn. Darunter ein Hinweis, dass es bis zum Brocken noch 5,5 Kilometer sind. Da weiß ich, das wird heute nichts mehr, denn die Alte Bobbahn überrascht uns mit einem steilen Anstieg, über und über mit Steinen und Geröll „gepflastert“. Für Lily legen wir eine Rast ein. Sie bekommt eine Schale voll Wasser und ich denke an mein zweites Bierchen. Die Augen der kleinen Hundedame blicken uns fragend an: „Weiter?“. Wir packen den Rucksack um, stecken Lily dort hinein, so dass nur noch der Kopf zu sehen ist. Bei Frauchen auf dem Rücken ist es angenehmer und außerdem kann sie jetzt Herrchen beim Straucheln über das Gestein und Geröll zuschauen. In der nächsten Viertelstunde verbrennt mein Körper eine Menge Kalorien, meine Haare sind klatschnass und in meinen leichten Halbschuhen stolpern meine Füße Stück für Stück dem Pfeifen der schnaufenden Dampflok, irgendwo da oben hinter den Baumwipfeln, entgegen. Man kann sie schon hören, nur zum Sehen reicht es noch nicht. Da fehlen wohl ein paar Höhenmeter, die ich nun, leise in mich hinein stöhnend, in Angriff nehme. Wandern macht Freude und ganz nebenbei schlank, hoffe ich. Dann endlich kann ich oben das Kreuz für den Bahnübergang entdecken. Die letzten einhundert Meter haben es noch einmal in sich. Dann noch über einen sprudelnden Bach, über die Gleise und die kleine Hütte mit der Bank daneben ist erreicht. Pause. Aus dem Rucksack sehen mich ein paar kullerrunde Hundeaugen an: „Lass’ mich hier wieder raus!“ Lily löscht ihren Durst, während ich Hose und Hemd wieder in Position bringe. Auf der Bank sitzend, beobachten wir, wie Wandergruppen und Familien, von oben kommend, an uns vorüber gehen. Lily macht derweil Bekanntschaft mit jungen Leuten, um sich das Fell kraulen und massieren zu lassen. Ich genieße es, hier auf ungefähr 800 Höhenmetern auf einer Bank zu sitzen und zurück in das Tal zu schauen, woher wir kamen und wo ich unten Schierke vermute. Allein für diesen wunderschönen Blick hat es sich gelohnt, über Stock und Stein zu klettern. Auf dem Wegweiser lese ich etwas von noch 4,6 Kilometern bis zum Brocken, allerdings durch den steilen und steinigen Eckerlochstieg. Wir haben uns am ersten Drittel erfolgreich ausprobiert und die Gegend erkundet. Von den jungen Leuten erhalten wir wertvolle Tipps, über welche Route man von dieser Stelle am besten noch oben kommen kann. Danach steht der schwere Aufstieg durch den Eckerlochstieg nicht mehr auf unserer Agenda. Innerlich zufrieden, freue ich mich nun auf den Rückweg zum Bahnhof Schierke, immer an den Gleisen entlang. Ich hätte mich nicht zu früh freuen sollen! Mir war bewusst, dass der Rückweg an den Gleisen der Brockenbahn entlang, der längste Abschnitt der heutigen Test- Wanderung sein würde. Doch ich ging davon aus, dass es ja stets bergab gehen würde und wir zügig den Bahnhof von Schierke erreichen könnten. Nach wenigen Metern allerdings ist mir klar, das würde längern dauern, denn dieser Weg ist über und über mit kleinen Steinen, Schotter und einer Unmenge von Wurzeln gespickt. Mit richtigen Wanderschuhen sicher kein Problem, für die leichten Sommertreter an meinen Füßen schon. Nach wenigen Minuten kann ich jeden Stein durch die dünne Sohle fühlen und nur die vielen kleinen Naturwunder am Rande des Weges entschädigen mich für das ständige Ärgern meiner Füße. Jetzt ist Durchhalten angesagt. Immer wieder werden wir von anderen Wanderern überholt, die mit ihrem festen Schuhwerk wesentlich flockiger voran kommen. Die kleine Lily, der es sicherlich nicht viel anders ergeht, trottet tapfer auf ihren vier kurzen Beinchen in unseren Spuren hinterher.                                                          Die Fotos durch Anklicken vergrößer. Es geht gemächlich abwärts. Dabei kann man die kleinen Schönheiten dieser geschützten Landschaft entdecken und sich an ihnen erfreuen. Ab und an quert ein kleines Bächlein den Weg. Dann nutzt Lily die Gelegenheit, sich die Füße abzukühlen und für einen Schluck aus dem Becher der Natur. Ich stelle mir dabei mein drittes kühles Bierchen oder wahlweise eine eiskalte Cola vor. Da dieser Weg direkt an den Gleisen der Harzer Schmalspurbahn entlang führt, dauert es nicht lange, ehe sich ratternd ein Zug ankündigt. Der erste, dem wir begegnen, bringt Besucher vom Brockengipfel zurück ins Tal. Beinahe spielerisch leicht rauschen Lokomotive und die Wagen an uns vorüber und verschwinden dann hinter der nächsten Biegung. Alles geht ziemlich schnell und schon sind die rot-gelben Wagen nicht mehr zu sehen. Nur das Rattern ist noch eine Weile zu hören, dann ist wieder Ruhe im Wald. Minuten später kündigt sich mit einem lauten Pfiff der Gegenzug von unten an. Die kleine Lok hat mächtig zu ackern. Es schnauft im Wald und Sekunden später stampft sie, mit den Wagen im Schlepptau und einer Wolke aus Dampf und Rauch ausstoßend, uns entgegen und zum Gipfel des Berges. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, kein Tourist zu sein, sondern, wann auch immer mir danach sein sollte, dieses Erlebnis wiederholen zu können. Vielleicht macht es mir deshalb nichts aus, in aller Ruhe dem kleinen Bahnhof von Schierke, der jetzt schon durch die Bäume zu erahnen ist, ganz gemütlich entgegen zu laufen. Wir beschließen, dort eine zweite Rast einzulegen, „Abendbrot“ zu essen, und dann zur Schüttel zurück zu laufen. Wenige Meter vor dem Überweg zum Bahnhof glaube ich, meinen Augen nicht zu trauen. Wirklich nur einen Steinwurf von uns entfernt vor läuft ein Fuchs in aller Ruhe über den Weg, blickt uns entgegen und verschwindet dann am Waldrand. Okay, denke ich, so etwas passiert Dir eben nur hier im Harz. Wir überqueren die Gleisanlagen, setzen uns in eine rustikale Sitzgruppe vor dem Kiosk und bestellen Bratwurst und eisgekühlte Cola zum „Abendessen“. Zu unseren Füßen hat sich Lily hingelegt, denn sie weiß, von der Wurst bekommt sie auch was ab. Was dann geschieht, würde mir wahrscheinlich keiner glauben, hätte ich nicht meine Knipse dabei. Vom gegenüber liegenden Waldrand kommt in aller Ruhe Reinecke Fuchs gelaufen. Er überquert auch die Gleisanlagen, springt auf den Bahnsteig und setzt sich keine fünf Meter vor uns neben dem Kiosk auf sein Hinterteil. Für einen Moment glaube ich, dies wäre nur ein Traum. Schnell schnappe ich mir Lily, damit sie nicht plötzlich losrennt und ich staune. Dann streckt jemand aus dem Kiosk seine Hand heraus, mit einer Wurst darin. Meister Fuchs nimmt sich den Leckerbissen zwischen die Zähne, glotzt mich an und wandert dann im eleganten Fuchsgang beiseite, um zu speisen. Jemand hinter uns singt: „Fuchs, du hast die Wurst gestohlen“ und ich schüttele ungläubig meinen Kopf. Sachen gibt’s! Inzwischen sind Bratwurst und eiskalte Cola auf dem Tisch. Wir lassen sie uns wie feine Delikatessen schmecken. Ich frage die Dame im Kiosk, ob der Fuchs einen Namen habe und ob er öfter käme, um sich hier durchzufuttern. „Ja“, sagt sie, „er kommt regelmäßig und seine Vorfahren hätten das auch so gemacht.“ Und übrigens sei sein Name Ursel, also eine Dame. Die gehöre hier quasi zum Inventar und das schon seit Jahren. Einer am Nachbartisch lässt uns wissen, dass es oben auf dem Brocken auch so einen Fuchs gäbe, der aber schon älter sei. Ursel ist noch jung an Jahren und gleitet elegant auf ihren langen Füßen über die Gleise auf die andere Seite. Dort legt sie sich neben ein Geländer und blickt von da drüber herüber. Das macht sie noch, als wir uns erheben, um den Weg zurück und hinunter in den Ort zu laufen. Für den Fuchs hoffe ich, dass nicht irgendwann so ein Dummkopf kommt, der an Ursel den Cecil ausprobieren will. Wir sehen Dich hoffentlich bald wieder, Ursel. Der steinige Waldweg führt noch einmal steil nach unten durch den dichten Wald und fordert unsere ganze Aufmerksamkeit, will man nicht stolpern. Eine Viertelstunde später stehe ich vor dem Ortsschild und bin glücklich, diese Wanderung gemacht und überstanden zu haben. Erst jetzt melden sich meine Füße. Es fällt mir schwer, die letzten zweihundert Meter bis zum Parkplatz zu laufen. Mein Körper hat wohl auf Zick geschaltet und will nicht mehr. Auch unserer Hundedame Lily scheint es so zu ergehen, denn sie trottet müde, einige Meter vor mir, ihrem Frauchen hinterher. Der ungeübte Wanderer, der ich nun mal bin, muss sich eingestehen, fast am Ende seiner Möglichkeiten, aber dennoch glücklich zu sein. In mir reift die Erkenntnis, dass ich es zu Fuß bis auf den Brockengipfel schaffen werde. Für den langen Weg zurück, der dann noch einmal mindestens ebenso lang und anstrengend sein wird, werde ich mir wohl eine der nicht gerade billigen Tickets für die Brockenbahn kaufen müssen. Zumindest in diesem Jahr.    
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.