Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Blues in deutsch – Jürgen Kerth live 1978
15.11.1978
Blues
in
der
DDR?
Das
ist
ein
Witz,
oder?
Der
Typ
kommt
aus
Erfurt
in
Thüringen?
Das
geht
doch
erst
recht
nicht!
Blues
und
deutsche
Texte?
Was
soll
denn
der
Quatsch.
Also,
nun
mal
schön
langsam:
der
Blues
kommt
aus
Amerika,
von
den
Baumwollplantagen
und
aus
dem
Delta
des
großen
Mississippi,
ist
schwarz,
hat
einen
stampfenden
Rhythmus
und
klingt
sehr traurig. Seine Sprache ist die Sprache der schwarzen Sklaven. So haben wir es gelernt!
Da
kann
man
mal
sehen,
wie
sich
einerseits
Vorurteile
festsetzen
können
und
wie
sie
andererseits
im
Laufe
der
Zeit
von
der
Realität
überholt
und
ad
absurdum
geführt
wurden.
Alles
so
geschehen
in
den
letzten
40
Jahren.
JÜRGEN
KERTH
kommt
natürlich
aus
Erfurt
in
Thüringen
und
er
spricht
und
singt
auch
so.
Am
besten
merkt
man
das,
wenn
man
mal
mit
ihm
redet.
Außerdem
spielt
der
Mann
eine
geile
Blues-Gitarre,
da
fällt
dir
nix
mehr
ein,
außer
Blues
eben.
Inzwischen
macht
der
das
so
lange,
dass
so
mancher
BLUESer
hierzulande
neidisch
werden
könnte.
Von
den
Jüngeren
hat ihn sich so als Vorbild auserkoren.
Über
die
Anfänge
mit
den
Jokers,
dem
Team
65,
den
Unisonos
und
mit
dem
Kumpel
Heinz-Jürgen
„Gotte“
Gottschalk
sowie
den
NAUTICS
ist
viel
geschrieben
und
so
manches
gesprochen
worden.
Es
waren
wilden
die
Jahre
des
BEAT,
die
der
englischen
Bandnamen
wie
SPOTLIGHTS
und
es
war
auch
jene
Zeiten,
da
aus
ihnen
per
Anweisung
die
RAMPENLICHTER
werden
mussten.
Verboten
wurden
sie
1966
dennoch.
Danach
ging
„Gotte“
seinen
eigenen
Weg
bis
hin
zur
Ausreise
und
JÜRGEN
KERTH,
der
stille
Gitarrist,
einen
völlig
anderen.
Als
nach
einigen
Mugge-
und
Bildungsjahren
Jürgen
Kerth
sein
eigenes
Bandprojekt
startete,
um
seiner
Liebe
und
Hingabe
zum
Blues
einen
musikalischen
Ausdruck
zu
verleihen,
gab
er
diesem
Projekt
seinen
Namen.
Der
Zufall
wollte
es,
dass
der,
wie
im
Englischen, dieses „th“ besitzt. Aber sein Name in der „Pappe“ ist nun einmal KERTH.
Wir
schreiben
das
Jahr
1970.
Jürgen
Kerth
geht
mit
einem
neunen
Quintett
an
den
Start,
aus
dem
nach
dem
Ausstieg
des
Saxophons
ein
Quartett
wird.
In
dieser
Besetzung
erscheinen
bei
AMIGA
viel
zu
spät
insgesamt
drei
Singles.
Die
Band
hatte
allerdings
schon
vorher
beim
Rundfunk
produziert
und
sich
bei
den
zuhörenden
Blues-Fans
mit
eigenen
Songs
wie
„Helmut“,
Martha“
und
„Geburtstag
im
Internat“
fast
schon
Kult-Status
erspielt.
Vor
allem
dieser
„Helmut“
und
diese
„Martha“
hatten
es
mir
angetan
und
mit
welcher
Hingabe
der
Mann
und
seine
Gitarre
von
beiden
erzählte.
Vergleichbares
gab
es
nicht,
weder
hier
und
erst
recht
nicht
da
„drüben“,
wo
sie
vom
deutschen
Blues
noch
so
weit
entfernt waren, wie die Erde von einer zukünftigen Raumstation.
Im
Jahre
1978
erschien
bei
AMIGA
endlich
KERTHs
erste
Langspielplatte
und
seitdem
wusste
ich,
der
Thüringer
Blues-
Barde
gehört
endlich
auch
mal
auf
unsere
kleine
Bühne.
An
einem
trüben
Abend
des
15.
November
im
gleichen
Jahr
stand
endlich
sein
PKW
mit
dem
Anhänger,
so
wie
man
es
auf
einer
seiner
alten
Autogrammkarten
sieht,
hinten
am
Bühneneingang
des
alten
Traditionshauses
„Hoppenz“
in
Elsterwerda.
Die
durchaus
bescheidene
Technik
wurde
aufgebaut
und
ein
unglaublich
ruhig
und
ausgeglichen
wirkender
Jürgen
KERTH
begann,
sich
mit
seinen
drei
Musikern
auf
den
Konzertabend
einzustimmen.
Die
alte
Hütte
ist
ausverkauft
und
der
Saal
voll,
als
JÜRGEN
KERTH
&
Band
die
Bühne
betreten
und
die
Schalter
umlegen.
Endlich
steht
er
da
vorn
auf
der
Bühne,
mit
seinen
Blue-Jeans
und
der
kurzen
hellroten
Lederjacke,
hängt
seine,
die
besondere
EINE,
Gitarre
um
und
beginnt
die
Geschichte
vom
„Helmut“
zu
erzählen.
Diese
Story
von
einem
wie
Helmut
ist
so
alt,
wie
der
Blues
selbst:
du
wirst
von
einer
Frau
verlassen
und
spürst
den
Schmerz
als
Blues
plötzlich
an
Leib
und
Seele.
Das
ist
„Helmut“
und
nicht
nur
in
Thüringen!
Es
folgen
mit
„Martha“ und „Geburtstag im Internat“ jene zwei Songs, die damals schon Kultstatus hatten.
Die
vier
Musikanten
sind
bestens
aufeinander
eingespielt.
Die
Rhythmussektion
sind
EBERHARD
MEYERDIRKS,
der
filigrane
und
dynamische
Schlagzeuger,
sowie
der
ruhige
und
einfühlsame
Bassist
ROLAND
MICHI
*
(ehemals
UNIVERSUM),
der
Ruhepol
in
der
Band.
An
den
Tasten
agiert
LOTHAR
„Lotix“
WILKE,
der
mit
seinem
voluminösen
Orgelparts
den
KERTH’schen
Sound
in
jenen
Jahren
entscheidend
mitprägt.
Das
merkt
man
vor
allem
dann,
wenn
sich
JÜRGEN
KERTH
mit
seinen
drei
Freunden,
denn
genau
so
gehen
die
Bandmitglieder
miteinander
um,
an
internationale
Rock-Klassiker
macht.
Da
staunt
der
Fan
nicht
schlecht,
als
„Walking
In
The
Park“
in
der
Version
des
Thüringer
Blues-
Mannes
erklingt.
Der
schafft
es,
dieser
Colosseum-Nummer,
auch
ohne
die
Bläser,
dafür
mit
fetten
Orgelakkorden,
einen
sehr
spartanischen,
aber
authentisch
Sound
auf
der
Bühne
zu
verpassen.
Es
ist
seine
Mischung
aus
Blues,
Jazz
&
Soul
und mit Thüringer Akzent und Herkunft.
Doch
die
eigentlichen
Perlen
des
Konzerts
sind
seine
eigenen
Kompositionen,
die
kleinen
einfachen
Geschichten
von
JÜRGEN
KERTH,
die
er
in
ebenso
leicht
verständliche
und
dennoch
genau
deshalb
sehr
glaubwürdige
Texte
gießt.
Diese
Rocklyrik
ist
frei
von
Doppeldeutigkeit
und
den
späteren
„grünen
Elefanten“,
die
Metapher
verdeckten
und
mancher
Textzeile
die
Leichtigkeit
nahm.
Der
Blues
von
KERTH
brauchte,
und
benutzt
noch
immer,
klare
und
einfache
Worte,
so
wie
dieser
„Blues
von
den
zwei
falschen
Freunden“
und
natürlich
die
Liebeserklärung
an
seine
Gitarre:
„Ich
liebe
die
eine“.
Die
kleinen
Höhepunkte
der
KERTH-Konzerte
waren
schon
damals
seine
Gitarrensoli,
zu
denen
er
oft
mit
geschlossenen Augen eine zweite Stimme sang, so wie er es heute noch tut.
Wo
seine
Wurzeln
sind,
ließ
uns
KERTH
ahnen,
wenn
er
„Red
House“
von
Jimi
Hendrix
auf
den
sechs
Saiten
zauberte
oder
furios
an
Edgar
Winter’s
„Tobacco
Road“
ging.
Dann
ließ
er
Blues
und
Rock
auf
seine
ganz
eigene,
thüringische
Weise
miteinander
auf
der
Live-Bühne
tanzen,
so
wie
es
einst
Rory
Gallagher
mit
dem
Blues
auf
irisch
tat.
Zwei
Seelenverwandte,
die
sich
nie
trafen.
Die
Musik
des
Thüringers
war
noch
nie
der
reine
Blues.
KERTH’s
Spielauffassung
war
schon
immer
nach
vielen
Seiten
offen,
orientierte
sich
nie
an
scheinbaren
Trends
oder
dem,
was
andere
als
populär
empfanden.
Gleich
gar
nicht
an
dem,
was
höheren
Ortes
von
ihm
erwartet
wurde.
Das
machte
seinen
Blues
auch
immer
etwas
widerborstig
und
damit
auch
unverwechselbar.
Eine
meiner
persönlichen
Songperlen,
die
das
belegen,
war
schon
in
jenen
Jahren
die
Story
von
der
„Jungen
Mutti“
und
seine
Frage
„Warum
schlägst
du
denn
dein
Kind?“.
Verpackt
in
Reggae,
spielte
der
Gitarrist
1978
auch
bei
uns
den
etwas
anderen
Blues
aus
dem
quirligen
Leben,
die
zeitlosen
Alltagsgeschichten,
die
ein
jeder
versteht,
wie
später
auch
seine
Hommage
an
die
Glocke
im
Erfurter
Dom
–
„Gloriosa“.
Damit ist ihm wohl ein besonderes Meisterstück gelungen.
JÜRGER
KERTH
zelebrierte
den
ganzen
Konzertabend
nahezu
auf
einem
Fleck
stehend.
Ab
und
an
geht
er
mal
für
an
Solo
nach
links
oder
rechts
vom
Mikrofon
weg
oder
tritt
dezent
beiseite,
wenn
der
„Lotix“,
EBERHARD
oder
ROLAND
eine
kleine
Solo-Einlage
spielen.
So
etwas
wie
Show,
irgendwelche
flachen
Posen
oder
andere
Auffälligkeiten
waren
ihm
fremd
und
sind
es
heute
noch.
Von
der
Bühne
strahlen
seine
Musik,
diese
Thüringer
Mixtur
aus
Blues,
Reggae,
Swing
&
Soul,
der
typische
Sound
seiner
Gitarre,
sein
unverwechselbarer
„Blues
vom
Blues“
und
sein
ebenso
einfühlsamer
Gesang.
In
dieser
Musik
ist
der
Musiker
verwurzelt,
wie
der
Mensch
KERTH
in
Erfurt
und
Thüringen
zu
Hause
ist.
Vielleicht war der Gedanke an Ausreise deshalb nie eine Option für ihn.
Nach
dem
Konzert
haben
wir
noch
gesessen,
das
obligatorische
Watzdorfer
aus
„Granaten“
und
den
klebrigen
Braunen
gemeinsam
getrunken,
haben
gequasselt
und
Fotos
von
allem
gemacht.
Zum
Glück
und
für
spätere
Zeiten,
wie
ich
heute
weiß!
Auf
das
Cover
seiner
ersten
LP
schrieb
mir
Jürgen
damals
ein
paar
Worte,
die
mir
heute
immer
noch
viel
geben,
weil
sie
mich
all
die
Jahre
von
damals
bis
heute
locker
in
einem
Augenblick
vergessen
lassen.
Er
ist
auch
heute
noch
immer
der
gleiche
ehrliche
Typ,
hat
für
sein
Gitarrespiel
noch
immer
viel
zu
kurze
Finger
und
außerdem
dieses
warme
Lächeln
im
Gesicht,
wenn
man
sich
trifft.
Die
Story
vom
erdigen
Blueser
aus
Thüringen
ist
also
noch
lange
nicht
zu
Ende
und
der
„Blues
vom
Blues“
klingt
und
lebt
weiter,
so
lange
das
Holz
der
unverwechselbaren
EINEN
zwar
von
der Zeit Schrammen mitbekommen hat, aber hält und der Musiker JÜRGEN KERTH und sie miteinander können.
*
Diese
Zeilen
habe
ich
ROLAND
MICHI
am
Bass
gewidmet,
der
wenige
Monate
nach
diesem
tollen
Konzert
vor
über
35
Jahren
viel
zu
früh verstarb.