Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Froschfelsen & Westerklippe                                                                                                14.09.2023 Bin Strohwitwer für einen Tag und allein mit meinen Gedanken an einen plötzlich verstorbenen Freund. In solchen Momenten kann Einsamkeit ein guter Ratgeber sein. Aber nicht in den eigenen vier Wänden, sondern draußen in der Natur. Abschalten beim Wandern und beim Kraxeln in den Berghängen. Der Froschfelsen über dem Ilsetal soll mein Ziel sein, obwohl ich eigentlich zur Stempelsbuche unterhalb vom Brocken wollte. Doch statt der voraussichtlich zwölf Kilometer bei 350 Meter Höhenunterschied, reichen mir heute schon die sieben Kilometer zum Froschfelsen und zurück, bei reichlich 200 Meter in die Höhe und wieder runter. Vier Stunden nach dem Start weiß ich, dass die Entscheidung richtig war. Am frühen Vormittag erreiche ich den Wanderparkplatz am Ilsetal. Bis zum Zanthierplatz gehe ich sehr entspannt auf der Straße und dann ein Stück im Wald. Die Wanderer hinter mir gehen hier weiter an der Ilse entlang bis zur Bremer Hütte oder gar auf den Brocken. Ich steige in einen unauffälligen Weg ein, der ziemlich steil in den Berghang führt. Auf einem Wegweiser ist Westerklippe zu lesen, also bin ich richtig. Dieser Weg, sagt meine Karte, ist etwa einen Kilometer lang. Da steht leider nicht, dass ich mich den gesamten Weg über Stock und Steine, durch Pampe und feuchte Gräser, verdammt steil den Berg hinauf quälen muss. Schon nach wenigern Meter drängt der Schweiß aus den Poren, schnaufend und pustend stolpere ich, mit Unterstützung meines Stocks, immer weiter aufwärts. Rechts steigt der Hang in den blauen Himmel, links plätschert schmatzend Wasser im Schwarzen Graben ins Tal. Davon ist der Weg in manchen Abschnitte regelrecht durchgeweicht. Der Naturpark Ilsetal präsentiert sich in seiner ganzen natürlichen Schönheit, unfrisiert und unberührt. Trotz der Anstrengungen ist es für mich ein besonderes Erlebnis, mich hier auspowern zu können. Langsam wird mein Kopf frei, die Beine aber werden weich. Mein Wanderweg steigt dem Schwarzen Graben zu meiner Linken entgegen. Überall liegen gefallene und beräumte Baumriesen am Rand und im Hang. Das Licht der Vormittagssonne bricht durch dieses Wirrwarr hindurch, gibt der Umgebung eine geheimnisvoll-mystische Atmosphäre wie im Zauberwald. Käme jetzt eine Hexe auf ihrem Besen geritten, würde es mich nicht wundern. Doch ich bin sehr damit beschäftigt, zwischen feuchtem Geröll und schlammigen Grasrändern aufzusteigen, ohne ins Rutschen zu geraten. Die Zeit zieht und zieht sich, während oben immer wieder neue Teilstücke hinter Bäumen und Biegungen auftauchen. Streckenweise käme ich ohne den Wanderstab, mit dem ich den Boden abtasten kann, keinen Schritt weiter. Als ich endlich ganz weit oben freie Sicht auf die Bergkuppen mit blauem Himmel erhalte, bin ich erleichtert. Ich laufe noch ein Stück durch eine Waldstoppelfläche und dann bin ich oben angelangt, befinde mich auf einer breiten Forststraße. Geschafft, der Blick ist frei! Völlig durchgeschwitzt und glücklich stehe ich mit zitternden Knien unter blauen Himmel. Meine Augen schweifen rundum, sehen viel toten Wald, aber auch grüne Teilstücke. Da mitten hindurch schlängelt sich die Forststrasse. Ein Wegweiser zeigt, wohin ich gehen muss, um zum Froschfelsen zu gelangen. Ich folge dem Hinweis auf einem Trampelpfad und entdecke wenig später die Konturen eines Felsens durch die Bäume schimmern. Ein Steinhaufen, wie man sie viele im Harz findet und dennoch jedes Mal irgendwie zauberhaft anzuschauen. Nur ein paar Schritte weiter, etwas erhöht und gut versteckt, noch eine Ansammlung solcher Riesensteine. Jedoch diesmal oberhalb am Hang sowie mit einer Holztreppe zum Besteigen versehen. „Sie haben die Westerklippe erreicht“, flüstern die Waldkobolde leise. Direkt am Südhang des Westerberges gelegen, kann man von dieser Felsformation auf 529 Meter gut über das Rohntal schauen und dem Verlauf des Ilsetals, das ich knapp 200 Meter unter mir verlassen habe, bis zum Brocken folgen. Das ist ein faszinierender Ausblick, der mit dem Brocken als Krönung belohnt wird. Ich stehe auf diesem Klumpen und nur ein schlichtes eisernes Geländer trennt mich von der Tiefe unter mir. Für einige Minuten kann ich mich von dem Panoramablick nicht trennen, genieße die Weite und die Bergrücken, die mir immer mehr vertraut werden. Je öfter ich durch Nationalpark und über Höhenzüge wandere, desto mehr fühle ich mich heimisch. Ein großartiges Gefühl, das ich heute ganz allein genieße. Die Gedanken an die letzte Reise eines Freundes begleiten mich dabei. Er hätte jetzt noch nicht gehen sollen. Doch nun möchte ich endlich den Froschfelsen finden und sehen. Irgendwo hier, vielleicht ganz in der Nähe, muss sich doch dieser versteinerte Harzfrosch verstecken. Ich gehe einfach auf dem Pfad, der mich hierher geführt hat, weiter und werde nach einigen Windungen mitten im Wald fündig. Zuerst ist eine Lichtung zu sehen, dann eine kleine Schutzhütte mit spitzem Dach und schon lugen riesige Steine zwischen Bäumen hervor. Das also ist der berühmte Froschfelsen über dem Ilsetal. Im ersten Moment nichts besonderes, nur ein Steinhaufen 515 Meter über dem Meeresspiegel und außerdem mitten im Wald. Man könnte vielleicht auf diesen riesigen Granit-Monolit klettern, denke ich, bringt aber nichts, man würde den Wald nur von oben sehen. Sucht man sich aber die richtige Perspektive, meint man, einen großen Frosch zu sehen, der da sitzt. Zurück an der Schutzhütte drücke ich mir die Nummer 5 in mein Stempelheft und gönne mir eine kleine Verschnaufpause, einsam und allein im Nationalpark Harz. Für den Rückweg könnte ich von hier einen Serpentinenweg direkt am Hang bis ins Tal nutzen. Nichts für eine künstliche Hüfte und außerdem gibt es am Forstweg noch einen Sonderstempel zu holen. Ich folge einem Trampelpfad durch den Wald zurück zur Forststrasse, der ich nun einen Kilometer bergab folge. Hinter einer Biegung öffnet sich der Blick in die Ebene über der schnurgeraden Schotterpiste. In weiter Ferne verschwimmt der Horizont und davor scheint eine Spielzeuglandschaft aufgebaut zu sein. Solche Ausblicke faszinieren mich immer wieder neu. Hinter einer Kurve pflücken zwei ältere Damen Brombeeren am Wegesrand und lassen sich dabei nicht stören. Ich überhole beide und gelange bald zu einer Kreuzung mit Schutzhütte und Stempelkasten. Auf der Bergkuppe dahinter kann man einiges zum Borkenkäfer auf einem Rundweg erfahren. Der Kasten hält einen Sonderstempel „Borkenkäfer“ bereit. Den drücke ich ins Wanderheft, gehe aber nach kurzem Zwischenstopp weiter. Die Forststrasse windet sich in Schleifen, ganz allmählich und spürbar, am Berg runter nach Ilseburg. Ich stelle mir vor, anders herum, auf dieser Strasse, zum Froschfelsen gewandert zu sein. Zum Glück nicht, ich quäle ich mich lieber eine halbe Stunde durch wilde Natur, als eine reichliche Stunde auf der stetig aufwärts strebenden Piste. Alles richtig gemacht, denke ich, und bin froh darüber. Eine kleine Bank mit Blick ins Tal erinnert an einen heimischen Holzfuhrmann, Heimatforscher und Dichter. Solche Erinnerungen kann man an vielen Stellen im Harz entdecken. Eine schöne Tradition, auf diese Weise besonderen Menschen zu gedenken. Inzwischen laufe ich durch dichten Laubwald und erreiche nach knapp fünf Stunden wieder den Parkplatz. Meine Ausbeute sind zwei Stempel, müde Knochen und die Befriedigung, persönlichen Erinnerungen an einen toten Freund genügend Raum gegeben zu haben. Das hat schon einige Male funktioniert und wird mich wohl für den Rest meines Lebens begleiten.